Asi mit Niveau? Mercedes-Benz 560 SEC als stählerne Monsterbacke

XXL-Tuning wie von einem anderen Stern: 87er Mercedes-Benz Autosalon 2000 Super Sport

Asi mit Niveau?  Mercedes-Benz 560 SEC als stählerne Monsterbacke: XXL-Tuning wie von einem anderen Stern: 87er Mercedes-Benz Autosalon 2000 Super Sport
Erstellt am 9. August 2019

Diagnose - dicke Hose! In den 80er Jahren ließ so mancher mit einem heftig umgebauten Mercedes C126 den dicken Macker raushängen. Als Ludenschaukel war dieser Benz schon porno, bevor das Wort „Pornokarre“ überhaupt erfunden war. Aber die auf Breitbau setzenden „Autoerotik“, für die dieser „Mercedes-Benz Autosalon 2000 Super Sport“ auf Basis eines 87er 560 SEC ein Paradebeispiel ist, fand und findet vermutlich nicht jeder scharf.

Zeichen guten Geschmacks?

Guter Geschmack macht einsam, lautet mal ein Werbespruch von Alfa Romeo. Dieser Satz dürfte auch für dieses Mach(t)werk als vielleicht beste verbale Verteidigungsstellung für allerlei zugedachte Schmähungen und Entsetzensschreie dienen. Obwohl der Mercedes innen und außen weiß gewandet ist, so scheinen Oberklasse-Status und Unschuld doch verloren. hat man sich hier nicht am guten Geschmack versündigt?

Asi mit Niveau?

Okay, okay, Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Diese Satz würde der Autor sofort unterschreiben, denn es sein fester Glaube, dass Fahrspaß und Autoliebe höchst individuelle Angelegenheiten sind. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Kann man denn wirklich schön finden, was diesem Mercedes 560 SEC rundherum angetan wurde? Nun ja, irgendjemand muss diesen Look mal als sehr begehrlich und ansehnlich empfunden haben. Schließlich hat diese Person für den Umbau ja seinen Obulus, der vermutlich nicht zu knapp bemessen war, entrichtet.

Verschwunden und vergessen

Dass dieser Brummer seinen Fan fand, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass er unwiderstehlich auf Breitbau-Enthusiasten der 80er Jahre wirkte. Denn „Autosalon 2000 of Miami" - der Macher dieses ungewöhnlichen Widebody-Kits - ist ja längst Geschichte. Niemand weiß, was wann aus dem US-Veredler mit dem seltsamen Namen wurde. Er ist in der Versenkung verschwunden und würde wohl für immer und ewig im Reich des Vergessens herumwabbern, wenn eines seiner Produkte nicht in der Jetztzeit wieder aufgetaucht wäre.

Mercedes-Monster mit wenigen Meilen

Egal wie man meinungsmäßig zu diesem Umbau stehen mag, so handelt es sich eindeutig um eine Rarität, die noch dazu nur wenige Meilen, nämlich 16.308, auf der Uhr hat. Oft haben sich der/die Vorbesitzer wohl nicht mit dem Big Benz auf die Straße und unter die Leute gewagt. Wenngleich sich die Zeigefreudigkeit augenscheinlich in Grenzen hielt, so hat man doch auf eine gewisse Erhaltunsgwürdigkeit dieses Sternträgers für die Nachwelt erkannt. Und so kommt er nun bei dem Auktionshaus RM Sotheby’s im Rahmen einer großen Auto-Klassiker-Versteigerung im amerikanischen Auburn (29.08.-01.09.) unter den Hammer - aber nicht für kleines Geld. Der Auktionator erwartet für den 87er Mercedes-Umbau einen Verkaufsverlös zwischen 60.000 und 70.000 Dollar.

Teure Tuningsünde?

Ob der erwartete Verkaufspreis nicht etwas zu hoch gegriffen für eine Tuningsünde der 80er Jahre, die noch nicht einmal besonders gut gelungen ist, angesiedelt wurde? Gibt es wirklich jemanden, der einen Mercedes-Umbau im XXL-Tuning-Trend der 80er, als ein Teil der C126-Fahrer noch Pornobalken, Vokuhila-Frisur und Uncle-Sam-Turbohose trugen, haben will? Man darf auf das Auktionsergebnis gespannt sein.

Potzausend

Bei den mächtigen Verbreiterung des Big Benz handelt es sich übrigens nicht um Kunststoff-Metastasen, sondern um echt eiserne Extras. Auch die Stoßstangen sind 100% stählerne Erzeugnisse. Angedeutete Lufteinlässe ohne funktionalen Effekt betonen den sportlichen Staus des seltsamen Sterns made in Mimai, der laut Typenschild, den irgendwann einer der Vorbesitzer dem Wagen aufs Heck pappte, ein „1000 SEL“ sein will.
1000 SEL - was soll denn das nun wieder sein? Einer unbestätigten Legende zufolge liegen die Wurzeln für den 1000-SEL nicht im Reich der Fantasie, sondern in Deutschland. So erzählt man sich im Mercedes-Fahrerlager die Weise, dass irgendwann in den frühen 1980er Jahren ein zahlungskräftiger ausländischer Kunde einen erheblich modifizierten Mercedes 500 SEL bei dem deutschen Tuners SGS Styling Garage bestellt habe. Bei der Fahrzeugübergabe soll der Mann beim Anblick des Ergebnisses vor Begeisterung völlig aus dem Häuschen gewesen sein. Weil er meinte, dass sein 500 SEL jetzt doppelt so toll sei, habe er das Typenschild 1000 SEL anbringen lassen.

Kraft und Protz

Der Mercedes-Umbau von Autosalon 2000 of Miami zeigt sich optisch eindeutig von der starken Seite. Unter der Haube arbeitet ein 5,6-Liter-V8. Das Auktionshaus hat zu der Leistung des Aggregats keine detaillierten Angaben gemacht, so dass je nach Abgasreinigung die Kraftausbeute 242 PS oder 300 Pferdestärken beträgt. Die Power, die sich mit viel zusätzlichem eisernen Ballast plagen muss, wird durch eine Viergangautomatik verwaltet. Ins Rollen kommt das Oberklasse-Coupe auf 16zölligen Ronal-Felgen, deren üppig verchromtes Tiefbett einen ebenso eindrucksvollen wie glänzenden Gruß aus einer vergangenen Tuning-Ära darstellt.

Der Innenraum des 560 SEL C126 ist mit schneeweißen Leder und edlem Wurzelholzdekor gestaltet. Der Verursacher dieses Interieurs ist sogar eine bekannte Manufaktur der Autoveredelungszunft. Carat by Duchatelet lautet der Name - wobei das Design der Taschoscheiben vermutlich nicht als Sternstunde in die Geschichte dieses Unternehmens eingegangen sein dürfte.

Braucht das einer, oder kann das weg?

Aber Halt! Haben wir als in der Gegenwart Lebende wirklich das Recht gleichsam als Hüter des guten Geschmacks den Stab über vermeintliche Autodesign-Scheusslichkeiten der Vergangenheit zu brechen? Vielleicht sollten wir den vorliegenden Fall zum Anlass nehmen, einen Moment lang darüber zu sinnieren, ob es angemessen ist, einen höheren ästhetischen Anspruch wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Denn siehe, auch das Abscheuliche hat seinen Sinn, wie der deutsche Dichter Robert Gernhardt es einmal in einem einer wunderbar weisen Verse wie folgt ausdrückte:

Dich will ich loben: Häßliches,
du hast so was Verläßliches.
Das Schöne schwindet, scheidet, flieht –
fast tut es weh, wenn man es sieht.
Wer Schönes anschaut, spürt die Zeit,
und Zeit meint stets: Bald ist‘s soweit.
Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer.
Das Häßliche erfreut durch Dauer.

Auch aufs Autohobby bezogen, liebe Freunde, lohnt es sich bestimmt einmal nachzudenken. (Bilder: ©2019 Courtesy of RM Auctions)

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Autor:‭ ‬Mathias Ebeling

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