Rattig. Rottig. Runtergekommen: Wird dieser Mercedes 280 SE im nächsten Death-Race-Film einen Einsatz haben? Nein, so weit wird es wohl nicht kommen. Eine Hauptrolle spielt dieser ungewöhnlich aufgemachte 1976er W116 aber trotzdem - und zwar im Fahrerleben von Kevin Özel. Vielleicht mögen manche die etwas andere Machart dieses Mercedes-Benz Oldtimers eher unbeschreiblich finden, dieser MIB findet seine S-Klasse gut, wie sie ist. Alles seine Idee. Alles sein Werk! Und es ist ein Werk, das auf seine ganz eigene Weise Anspruch auf Einzigartigkeit erheben kann.
Ein Oldtimer zieht blank
Kevin Özel ist 38 Jahre alt und von Beruf Teilehändler mit Spezialgebiet Mercedes-Benz (www.mercedes-teile-markt.de). Seinen Mercedes-Benz 280 SE mit Baujahr 1976 besitzt er seit 2015. Als er sich die einstmals sehr niveauvolle Limousine an Land zog, da befand sie sich substantiell schon nicht mehr im Bestzustand. Die Transformation zum „Schlachtrost“ war dann innerhalb von 14 Tagen erledigt. Wer den W116 sieht, mag sich etwas über das H-Kennzeichen wundern, schließlich heißt es in § 2 Nr. 22 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) wie folgt: „
Oldtimer (sind) Fahrzeuge, die vor mindestens 30 Jahren erstmals in Verkehr gekommen sind, weitestgehend dem Originalzustand entsprechen, in einem guten Erhaltungszustand sind und zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes dienen(...).“ Upps! Was soll man dazu anders sagen, als das vielleicht: Wunder gibt es immer wieder.
Mein Leben. Mein Benz. Mein Geschmack.
Wer einen Mercedes-Benz Klassiker nur original und nicht anders oder allenfalls im zeitgenössischen Tuning seiner Zeit liebt, wird den Anblick dieses W116 vermutlich nicht mögen. Kevin Özel hat aber einen anderen Zugang zur Freude an seinem Mercedes-Benz Klassiker. Weil Fahrspaß eine höchst individuelle Sache ist, ging er die Optik seines 76er Mercedes-Benz 280 SE folglich auch ganz persönlich an.
Und wenn es dem einen oder anderem im Mercedes-Benz Fahrerlager so anmuten mag, als wäre das ehrwürdige Oberklassemodell unten angekommen, so ist dieser Eindruck Kevin eigentlich völlig Hupe. Der Mercedes kommt in einer Weise in Sicht, wie sie dem 38jährigen MIB gefällt. Und nur darauf kommt es letztendlich an.
Hier geht die Liebe zum Benz unter die Haut
An Kevins Liebe zum Stern ist ohnehin nicht zu zweifeln. Dass man Benz im Blut hat, ist leicht gesagt. Hört man oft. Und stimmt ja meistens auch. Doch nicht allen, die so reden, geht die Liebe zum Stern dermaßen unter die Haut wie Kevin. Es steht ihm nämlich groß und breit auf Arm und Handrücken geschrieben. Da können die Reinhäuter im Sternfahrerlager nur staunen. Tatsächlich prickelt die Freude am Fahren eines individuellen Mercedes bei Kevin länger, als die Sitzung beim Tätowierer dauerte. Das Prickeln war genau genommen schon immer da, berichtet der MIB: „Ich habe Benz im Blut seit der ersten Stunde. Mein erster Umbau war ein C124 CE. Ihm folgten weitere modifizierte Sterne. Aber die ganz große Hingabe zu den Klassikern ging in meinem Fahrerherz erst mit dem aktuellen Projekt auf.“
Kein Tuning von der Stange
Keine Frage: Dieser Mercedes-Benz sieht anders aus als viele andere. Dass ihn Klassiker-Puristen womöglich als Bäh empfinden, hindert ganz viele Besitzer einer Fotokamera oder eines Smartphones übrigens nicht, einen Schnappschuß von dem ebenso urigen wie ungewöhnlichen W116 zu machen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet. Ja, so einen Stern sieht man selten. Kevin erklärt die Optik des Benz so: „Auto von der Stange sind nicht mein Ding. Plug-and-Play-Tuning kommt für mich nicht in Frage!"
Akkuratesse ist kein Argument
Dass dieser 32 Jahre alte 280 SE sich nicht in einem ehrenwert erhaltenem Zustand im Sinne von Akribie, Exaktheit, Genauigkeit, Gründlichkeit, Präzision und Sorgfalt befindet, ist kein Argument, um diesen Benz nicht interessant zu finden. Rost, Dellen, Löcher und Blechbriefmarken fügen sich hier sehr stimmig ins Bild.
Eigenwilliger Sportlook
Es ist ja nicht so, als wollte Kevin seinen Benz mutwillig den zerstörerischen Kräften der Oxidation aussetzen. Die komplett blanken Bleche der Karosserie werden schließlich von zwei Schichten Klarlack geschützt. Aufgeschraubte 50-mm-Radlaufverbreiterungen aus Kunststoff, 40-mm-Tieferlegung sowie ein Lufteinlass in den US-Frontscheinwerfern verleihen dem Wagen eine rustikal-robuste Sportoptik, die mit weißen Blinkern, roten Rückleuchten, mattschwarzen Spiegeln und 76-mm-Edelstahlendrohren akzentuiert gewürzt wurde.
Stahl statt Alu
Um die Blicke aufs Schuhwerk eines Fahrzeugumbaus zu lenken, braucht es nicht immer schicke Alu-Felgen mit einem interessanten Design und erlesenem Finish. Schnöde schwarze Stahlfelgen mit Carbon-Nabendeckeln, auf denen der Stern verewigt ist, erledigen diesen Job hier auch. Sie lassen an diesem Fahrzeug keine „Seesucht“ nach Leichtmetallfelgen aufkommen. Die Räder sind übrigens im Format 9 x 16 und 11 x 16 am Mercedes montiert und mit Fulda Carat Extremo-Pneus in 205/55 bzw. 245/45 kombiniert. 25-mm-Distanzscheiben rücken die Rad-/Reifenkombination in den geweiteten Radhäusern zurecht.
Es grünt so grün
Im Innenraum des ehemals grün lackierten Mercedes-Benz macht sich nach wie vor das moosgrüne Interieur breit. Abgestrippt ist hier nix. Und das soll auch so sein. Die Mischung aus Velour, Vinyl und Holzdekor mit dem besonderen S-Klasse-Wohlfühlkomfort gefällt Kevin nämlich ganz gut. Für den persönlichen Flair sind ein Jamex-Gold-Volant und eine Patronenhülse als Schalthebel installiert.
Fazit: Dieser Mercedes ist gewiss nicht nach jedermanns Geschmack - einerseits. Andererseits kommt man nicht umhin anzuerkennen, dass Fahrer und Fahrzeug ein authentisches Team bilden. Kevin passt zu diesem Benz. Und der 280 SE passt so, wie er ist, perfekt zu Kevin. Dieser MIB ist eben kein Allerweltstyp. Und auf seine Art ist der Mercedes-Benz 280 SE W116 ebenfalls einmalig gelungen.
Text & Fotos Mathias Ebeling
Mehr Bilder von Kevin Özels Mercedes-Benz 280 SE in der Bildergalerie
Mercedes-Fans Technische Daten
Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz 280 SE (W116)
Baujahr: 1976
Motor: Reihensechszylinder-Benziner, 177 PS, Luftfilter modifiziert, 76-mm-Edelstahl-Endrohre, Ansaugöffnung im Scheinwerfer Beifahrerseite
Getriebe: Viergang-Schaltgetriebe
Räder: Stahlfelgen in 9 x 16 ET54 und 11 x 16 ET54 mit Carbon-Nabendeckeln
Reifen: Fulda Carat Extremo in 205/55 R16 vorn und 245/45 R16 hinten
Fahrwerk: H&R-Federn, minus 40 mm vo/hi, 25-mm-/25-mm-Distanzscheiben je Seite vo/hi
Karosserie: US-Scheinwerfer, rote Rückleuchten, weiße Blinker vorn, aufgeschraubte Radlaufverbreiterungen, Spiegel mattschwarz, Karosserie.bis aufs blanke Blech entlackt und mit zwei Schichten Klarlack versehen
Innenraum: Jamex-Gold-Lenkrad, Patronenhülse als Schaltknauf
1 Kommentar
Martin Baumann
20. Januar 2018 13:38 (vor über 6 Jahren)
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