Wer an eine Luxuslimousine denkt, der träumt von der Mercedes S-Klasse. Da machen die Bankiers in New York seit Jahrzehnten keinen Unterschied zu den Promis in Südfrankreich, Moskau oder in Shanghai. Die erste Mercedes S-Klasse kam jedoch nicht Anfang der 70er Jahre mit der Baureihe W 116 auf den Markt. Der eigentliche Ursprung datiert aus den Zeiten Anfang des vergangenen Jahrtausends.
Wie die Mercedes S-Klasse in der heutigen Zeit war die Simplex 60 PS Touring Limousine – vielen bekannt als Jellinek Reisewagen – für längere Strecken gedacht, um diese möglichst entspannt zurücklegen zu können. Dafür gab es bereits im Jahre 1907 viel Platz für die Familie inklusiv Gepäck auf dem Dach und eine überaus kraftvolle Motorisierung. Immerhin leistete das eng mit dem Simplex-Rennwagen verwandte Luxusmodell Dank seines über neun Liter großen Vierzylinders seinerzeit mehr als imposante 44 kW / 60 PS – das reichte für eine Reisegeschwindigkeit von 80 km/h. Die maximale Drehzahl des Langhubers: 1.400 Touren. Der Simplex-Rennwagen aus dem Jahre 1901 hatte als technische Basis ein 6,8 Liter großes 40-PS-Triebwerk, dass den Rennwagen mit seinen geringeren Abmessungen und ohne den Luxusaufbau rund 120 km/h schnell machte.
Win on Sunday, sell on Monday!
Der Autohändler Emil Jellinek war Anfang des vergangenen Jahrtausends geschäftstüchtiger denn je. Mit Rennerfolgen rund um das südfranzösische Städtchen La Turbie brachte er die nach seiner Tochter benannten Mercedes-Modelle über Nacht in die Köpfe der Reichen und Schönen. Eine Geschichte, die sich auch heute noch ebenso bildstark wie inhaltsreich erzählen lässt. Nichts verkaufte sich seinerzeit besser als Siege, die in einem Autorennen gegen die starke Konkurrenz errungen werden. Das alte Sprichwort: „win on Sunday, sell on Monday“ (Gewinne am Sonntag, verkaufe am Montag) war vor mehr rund 120 Jahren weit mehr gültig als heute. In dem schmucken Städtchen an der der Côte d'Azur machten die Schönen und Reichen – darunter viele Autofans – Urlaub und veranstalteten als Unterhaltungsprogramm am Wochenende prestigeträchtige Wettfahrten. Darunter die legendäre Hatz auf der geschlängelte Bergstraße nach La Turbie hinauf.
Jellinek und Maybach schrauben am Simplex
Zunächst war das Rennen fest in französischer Hand, doch Emil Jellinek wusste, wie man die Vorherrschaft der gallischen Autohersteller brechen kann. Zusammen mit Daimler-Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach ersann er mit dem Simplex ein Automobil, das nichts mehr mit den motorisierten Kutschen früher gemein hat: viel Leistung, ein niedriger Schwerpunkt und vergleichsweise einfach zu steuern. Mit der Rennhistorie Anfang des 20. Jahrhunderts untrennbar verbunden der Mercedes Simplex, von dem das Einzelstück der Simplex 60 PS Touring Limousine die elitärste Ausgestaltung war und eben jenes Modell, mit dem Emil Jellinek seinerzeit zu Reisen beliebte. Von jenem Reisemobil gab es auch einen 60-PS-Rennwagen, mit dem der Belgier Camille Jenatzy im Jahre 1903 das seinerzeit legendäre Gordon-Bennet-Rennen gewonnen hatte. 1899 war Jenatzy als erster Mensch über 100 km/h schnell mit einem Auto gefahren – elektrisch angetrieben.
1907 beginnt die Historie der Mercedes-Benz S-Klasse
Heute ungewöhnlicher denn je für ein Luxusmodell ist die rote Unilackierung des Mercedes-Simplex 60 PS Touring, die aus dem Serienfarbkasten der Mercedes S-Klasse mit der Generation des W 126 verschwunden ist. In der ersten Reihe des Dreitürers (eine Tür vorne und links und zwei Türen im Fond) saß der Fahrzeugführer auf einem bequemen Ledersofa und im üppig dimensionierten Fond hatte die Einzelperson des Emil Jellinek ebenso viel Platz wie die ganze Familie. Mittlerweile steht die Simplex 60 PS Reiselimousine im Mercedes-Museum in Stuttgart und ist hier seit der Eröffnung eines der exklusivsten Modelle. 1952 hatte die Daimler-Benz AG das Fahrzeug von Emil Jellinek zurückgekauft und danach aufwendig restauriert. So begann im Jahre 1907 bereits die Historie der Mercedes S-Klasse, die 1971 mit der Baureihe W 116 dann auch offiziell eingeführt wurde.
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