Der Mercedes-Benz 300 d „Adenauer“ – der Mercedes-Benz des ersten Bundeskanzlers - Stargast beim MVC Jahrestreffen

Staatskarosse mit Stern: 1957 Mercedes-Benz 300d „Adenauer“ (W 189)

Der Mercedes-Benz 300 d „Adenauer“ – der Mercedes-Benz des ersten Bundeskanzlers  - Stargast beim MVC Jahrestreffen: Staatskarosse mit Stern: 1957 Mercedes-Benz 300d „Adenauer“ (W 189)
Erstellt am 22. Mai 2012

Zusammen 100 Jahre alt wurden im letzten Jahr der ab 1951 gebaute Mercedes 300, der „Adenauer“ und der Mercedes-Benz Veteranen Club von Deutschland (MVC), ältester deutscher Mercedes-Benz Markenclub. Ein Jahr nach ihren Jubelfeiern begegnen sie sich am kommenden Pfingst-Wochenende (25.-28.Mai) mit großem Begleitaufgebot alter Sterne in Bad Honnef, einen Katzensprung von Adenauers Wohnort Rhöndorf, zum MVC Jahrestreffen.

Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, die beiden Leitfiguren des nach dem zweiten Weltkrieg ins Wirtschaftswunder aufbrechenden Deutschland und ihr jeweiliger Dienstwagen, der „Adenauer“: Er war im April 1951 die Sensation der ersten Nachkriegs-Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt und stach damit sämtliche anderen Premieren wie von Borgward Hansa oder Opel Kapitän ´51 locker aus. Schon kurz nach seinem Messebesuch entschied sich „Der Alte“ für seinen künftigen Weggefährten. Im Laufe seiner Kanzlerzeit sollten ihn aufeinander folgend sechs 300er begleiten.

In den Mercedes passt „der Alte“ auch mit Hut

Um eine solche Verbindung für´s weitere Leben ranken sich immer wieder Legenden. So soll die Entscheidung gegen den als Staatskarosse im Prototyp vorgestellten BMW 505 gefallen sein, weil der „Chef“ hier nicht wie in den 300er einsteigen konnte, ohne den Hut abzunehmen. Eine Probefahrt hat es jedoch laut Adenauers Fahrer Willy Klöckner nie gegeben. Dagegen scheint, obwohl er nie einen Führerschein besaß, Adenauers Hang zu rasanter Fortbewegung eher den Tatsachen zu entsprechen. Auch wenn das damalige Bonmot „Jeben Se Jas, Klöckner“ nicht belegt ist, spricht vieles für seinen realistischen Hintergrund.

Deutschlands schnellstes Serienfahrzeug

Immerhin war der 300er seinerzeit mit seiner Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h Deutschlands schnellstes Serienfahrzeug. Zwar muten seine Leistungsdaten mit 115 PS (bei einem Gewicht von etwa 2 Tonnen!), einem maximalen Drehmoment von 195 Nm bei 2.500 U/m und einer Beschleunigung auf 100 km/h von 18 Sekunden heute eher bescheiden an, aber ein damals als besonders rasant geltender BMW Barockengel war schon bei 135 km/Stunde am Ende.

Der Adenauer hatte den Basismotor vom Flügeltürer

Die Sechszylindermaschine des „Adenauer“ war hervorgegangen aus einem vor dem Krieg nie realisierten 2,6 Liter Antrieb. Welches Potenzial in ihm steckte, zeigte dieses Aggregat, das der seinerzeit im Rennsport gültigen Hubraumgrenze von 3 Litern entsprach, als Basis der Entwicklung des Motors für den kommenden Flügeltürer. Auf dem Genfer Salon 1954, dem Jahr, als der 300 SL als Straßenversion in New York vorgestellt wurde, zeigte sich auch der 300er als 300b mit immerhin 125 PS von einer stärkeren Seite. Außerdem unterschied er sich ab jetzt von seinem Vorgänger unter anderem durch vordere Ausstellfenster, Stoßstangenhörner vorn und hinten sowie größere Bremsbeläge. In Verbindung damit erhielt er einen Bremskraftverstärker.

Der Fortschritt bescherte dem 300er modernere Technik

Mit dem ab 1955 gebauten 300c veränderte sich sein Aussehen durch eine vergrößerte Heckscheibe und breitere Reifen. Wichtigstes technisches Merkmal war aber der Übergang zur Eingelenk-Pendelachse, die die bisherige Zweigelenk-Achse ersetzte. Wahlweise war ab jetzt statt des Viergang-Schaltgetriebes eine Dreigang-Automatik erhältlich.

1957 folgten Komfort-Extras...

Letzte Entwicklungsstufe war ab 1957 der 300d. Bei ihm konnten die ersten beiden Seitenscheiben jeder Seite, auf Wunsch mit elektrischen Fensterhebern, komplett versenkt und das veränderte hintere Eckfenster herausgenommen werden. Es war die Hardtop-Limousine ohne B-Säule entstanden. Wahlweise erhältlich waren Servolenkung, Klimaanlage (erstmalig in einem Mercedes-Benz), orthopädische Sitze und ein Schiebedach vervollkommnten die Komfortausstattung.

Für Konrad Adenauer und seine Liebe zur Geschwindigkeit saß wohl die wichtigste Veränderung unter der Motorhaube. Der Sechszylinder bekam eine Saugrohr-Benzineinspritzung und leistete damit 160 PS. Ob damit wohl auch Adenauers Entschluss zusammenhing, sein letztes Dienstfahrzeug nach Ende seiner Kanzlerschaft zu kaufen und mit in den Ruhestand zu nehmen? Als Erinnerung an diese Zeit steht der Wagen nun im Mercedes-Benz Museum.

Adenauers eigener 300d steht im Mercedes-Benz Museum

In den Startlöchern zum Treffen in der Ur-Adenauer Umgebung Bad Honnef steht ein W 189, gebaut 1957, aus Hildesheim. Anknüpfend an die Geschichte(n) um ihren Namenspatron werden dort sieben weitere Adenauer Limousinen unter insgesamt 100 vornehmlich Rahmenfahrzeugs-Sternen erwartet.

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Aus Amerika nach Österreich

Auch der W 189 aus Hildesheim trägt wie die damaligen Dienstwagen Konrad Adenauers eine deutsche Standarte, obwohl seine Geschichte unter österreichischem Rot-Weiß-Rot begann. Ausgeliefert wurde der 300er aus dem Lagerbestand des damaligen Mercedes-Benz Vertriebspartners Studebaker-Packard an das österreichische Konsulat in San Francisco. Der Mercedes-Oldtimer hat Automatikgetriebe und Servolenkung, jedoch, erstaunlich für Kalifornien, weder Schiebedach noch Klimaanlage.

1995 kam er nach Hildesheim zu Bernd Maschke. Zwischendurch war sein Re-Import Thema einer deutschen Diplomarbeit. Für den jetzigen Besitzer ist er bereits der zweite Adenauer. Der Vorgänger lief übrigens tatsächlich im Fuhrpark des Kanzleramtes.

Der Start zum Fototermin beginnt mit einer Inbetriebnahme-Lehrstunde. Nach Einschalten der Zündung muss Bernd Maschke zunächst über einen Schalter für ein paar Sekunden die Benzinpumpe betätigen, dann wird der Wählhebel der Getriebeautomatik, der ähnlich wie eine Lenkradschaltung angebracht ist, nach vorn gedrückt und der seidenweiche Lauf der sechs Zylinder beginnt.

Wie in alten Zeiten

Die anschließende Fahrt zu den Aufnahmen an der Marienburg, Wohnsitz der aus der Boulevard-Presse bekannten Königlichen Hoheit Ernst August, Prinz von Hannover, stimmt in ihrem sanften Gleiten auf die zu erwartende Umgebung ein. Die elektrisch zuschaltbare Drehstabfederung für den Niveauausgleich der Hinterräder ist perfekt auf die Passagieranzahl und den zu erwartenden Straßenzustand eingestellt, dazu rundum Luxus aus Wirtschaftswunderzeiten. Zwischendurch erzählt Bernd Maschke aus dem jetzigen Leben des Fahrzeugs. So fuhr unter anderem Angela Merkel vor ihrer Kanzlerschaft bei einem Wahlkampftermin eines Enkels Konrad Adenauers in ihm.

Pfingsten kommt der Adenauer nach Bad Honnef zum MVC-Treffen

Einmal war er sogar bei einer Filmdokumentation über die deutsch-französische Zusammenarbeit unter Adenauer und DeGaulle in fast amtlichem Einsatz rund um Bonn und Rhöndorf unterwegs. Die Umgebung für das kommende Treffen kennt er also und eine komfortable Anreise Bernd Maschkes ist bei diesem Fahrzeug sowieso garantiert.



Text: Friedrich W. Thüner

Fotos: Friedrich W. Thüner, Archiv

Mercedes-Fans Facts:

1957 Mercedes-Benz 300d „Adenauer“ (W 189)



Antrieb: Reihensechszylinder, 2.996 ccm, 160 PS bei 5.300 U/min, Intermittierende Saugrohreinspritzung, mechanisch geregelt; Bosch 6-Stempel-Einspritzpumpe; Dreigang-Automatikgetriebe; Hinterradantrieb

Fahrwerk: Vorne Doppel-Querlenker und Schraubenfedern, Drehstab-Stabilisator, Trommelbremsen; hinten Eingelenk-Pendelachse und Doppel-Schraubenfedern, elektrisch zuschaltbare Drehstabfederung, Trommelbremsen

Räder: Stahlfelgen 5,5 K x 15“ mit 7,60 S 15 (6PR), umgerüstet auf 215/75 R15

Karosserie: Ganzstahlkarosserie auf x-förmigem Ovalrohr-Rahmen

Innenraum: Serie

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