Schwarzer 190 SL mit roter Lederpolsterung, Erinnerungen werden wach an Frankfurter HochkaratMilieu in den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Auto einer gewissen Dame, das Zeitgeschichte machte Ein makellos strahlendes Exemplar dieser Gattung an einem ebenso strahlenden Tag auf malerischen Straßen rund um Luxemburg zu erleben, ist sicherlich eine Alternative zur damaligen Szene in Frankfurt, zumal es um einen Filmstar geht. Doch alles in der richtigen Reihenfolge...
1958 nach Österreich ausgeliefert, muss der Mercedes-Benz 190 SL Roadster seinem Besitzer so ans Herz gewachsen sein, dass selbst bei einer Auswanderung in die USA eine Trennung nicht mehr in Frage kam. Also ging es über den großen Teich ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nach genügend Highway-Luft und -Meilen dann der Weg zurück, und zwar diesmal nach Deutschland. Nach 45 Jahren als Weltreisender ist das Bedürfnis nach einer Rundum-Kur nur zu verständlich und die entsprechende Fachklinik leistete ganze Arbeit. Wiederauferstanden im Neuzustand folgte dann ab 2003 der nächste Lebensabschnitt in Luxemburg.
Von Österreich über die USA und Deutschland nach Luxemburg
Dort führte der 190er zunächst ein erfülltes Oldtimerleben mit Rallyes und Veranstaltungen wie dem Internationalen Oldtimer-Meeting Baden-Baden. 2007 ruft dann, wie bisher schon des Öfteren bei einem 190 SL, das Showgeschäft. Es kommt eine Einladung für Fahrzeug und Besitzer zu Dreharbeiten für den britischen Kriminalfilm "Flawless - Ein tadelloses Verbrechen". Gedreht wird im französisch-luxemburgischen Grenzraum. Regie führt Michael Radford. Die bekannten Schauspieler Demi Moore, Michael Cane und Lambert Wilson sind mit von der Partie.
Auch der Besitzer hat eine Rolle - als Fahrer. Fast wird ihm das zum Verhängnis: Am Ende eines Drehtages gerät, während er seine im Film getragene Montur bereits abgegeben hat, seine gesamte Privatkleidung in den abgeschlossenen, inzwischen von niemandem mehr betreuten Requisiten-Wagen und er steht kurz vor Mitternacht nur in der Unterhose und ohne Autoschlüssel da! So werden Erinnerungen geboren - leider sind die Aufnahmen mit dem 190 SL aber späteren Schnitten zum Opfer gefallen.
Rückblick: Innerhalb von fünf Monaten der Roadster geboren
Dabei war doch der Ursprung des 190 SL schon denkwürdig genug: In Anbetracht der sportlichen Erfolge seines großen Bruders 300 SL schlug der seinerzeitige amerikanische Mercedes-Benz General-Importeur Max Hoffmann in Untertürkheim vor, vornehmlich für den USA-Export einen kleinen Sportwagen aufzulegen. Im Gegensatz zum 300 SL waren hierfür noch keine Entwicklungsarbeiten geleistet worden. Innerhalb von fünf Monaten wurde aus der Idee ein Auto geboren, das im Februar 1954 auf der New Yorker Autoschau zu besichtigen war.
Als Basis diente die Rahmenbodengruppe des 180 Ponton (W120). Der Motor war ein M 121, also im Prinzip gleich wie im 190 Ponton. Zur Leistungssteigerung entschied man sich für zwei Solex Flachstrom-Registervergaser. Alternativ war eine Einspritzanlage in Diskussion, die bei Versuchen eine Mehrleistung von 16 PS und einen um ca. 15% gesteigerten Drehmomentbestwert erbrachte. Diese kam, sehr zum Leidwesen vieler heutiger 190 SL Besitzer, wahrscheinlich aus Kostengründen nie zum Einsatz. Durch eine einwandfrei laufende Einspritzung wäre wohl manchem erheblicher Ärger erspart geblieben!
Die Fachpresse lobte: Schönste Schöpfung des Hauses Daimler-Benz
Als Bremsen wurden die aus dem 300 SL bekannten Trommelbremsen mit Turbobelüftung eingesetzt. Ab 1956 wurde serienmäßig der ATE Bremskraftverstärker T 50 eingebaut. Die Karosserie erhielt zur Gewichtsersparnis unter anderem eine Motorhaube, einen Heckdeckel sowie Türen aus Aluminium. Bis zum Anlauf der Vorserie im Januar 1955 wurde sie gegenüber dem ursprünglichen Ausstellungsfahrzeug noch in wesentlichen Punkten überarbeitet.
So fiel die ursprünglich vorgesehene Hutze auf der Motorhaube fort, der Kühlergrill und die Stoßstange wurden verändert, und die Sicke über den Hinterrädern kam hinzu. Die Mühe hatte sich gelohnt, schrieb doch 1956 die Schweizer Automobilrevue: "Mit seiner eleganten Form und der flachen Motorhaube mit der neuen von Sportwagen übernommenen niedrigen und breiten Kühlerfront wird der Mercedes-Benz 190 SL allgemein als schönste Schöpfung des Hauses Daimler-Benz betrachtet."
Als Rennversion wurde der 190 SL zum Weltrekordler
Doch nicht nur Schönheit und die traditionelle Daimler-Benz Zuverlässigkeit standen bei diesem Auto im Vordergrund. Angedacht war damals ebenso der Einsatz bei kleinen Sportveranstaltungen. Für Wettbewerbe konnten unter anderem die Frontscheibe abgenommen und durch einen Polycarbonat-Windschutz ersetzt werden, die Stoßstange demontiert sowie Schalensitze und Türen ohne Fensterkurbeln eingebaut werden. In dieser Ausführung siegte das Auto zum Beispiel mit dem Fahrer Doug Steane im Herbst 1956 beim Formel-3-Grand Prix von Macao. Auch Weltrekordler war die Rennversion des 190 SL!
Im Herbst 1961 wurden auf dem alten Hockenheimring mit einem 65 PS Motor Geschwindigkeitsweltrekorde für Dieselfahrzeuge aufgestellt. Wie schon die damalige Fachpresse ist jeder, der einen 190 SL fährt, von seiner Straßenlage begeistert. Hierfür sorgen neben dem tiefen Schwerpunkt die unabhängig aufgehängten Vorder- und Hinterräder: Hinten die aus dem Rennsport stammende Eingelenk-Pendelachse mit tiefer gelegtem Drehpunkt sowie Längsschubstreben und Schraubenfedern mit Teleskopstoßdämpfern, vorn Doppel-Querlenker mit Schraubenfedern und Teleskopdämpfern sowie Torsionsstabilisator.
Begeisterung für einen Schönen Stern
Ja, und dann ein Tag wie gemalt, offenes Roadster-Verdeck, sanftes Gleiten durch herrliche Natur auf Luxemburger Landstraßen, der Blick geht über die schwarz glänzende Haube, zwischen drin das Lenkrad in herrschaftlichem Weiß
Wie weit weg liegt da alles, was an die Weltreisen dieses Autos und an Frankfurt erinnert!
Text und Fotos: Friedrich W. Thüner
Mercedes-Fans Facts
1958 Mercedes-Benz 190 SL Roadster (W121)
Antrieb: Reihenvierzylinder, 1.897 ccm, 105 PS bei 5.700 U/min, zwei Solex Flachstrom-Registervergaser; Viergang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrwerk: Vorne Doppel-Querlenker und Schraubenfedern, Drehstab-Stabilisator, Trommelbremsen; hinten Eingelenkpendelachse mit Längsschubstreben und Schraubenfedern, Trommelbremsen
Räder: Stahlfelgen 5 K x 13 mit 6,40-13-Reifen
Karosserie: Ganzstahlkarosserie auf Rahmenbodenanlage, Innenraum Serie
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