Der Glanz, der in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren auf die Produkte der Daimler-Benz AG fiel, ist in erheblichem Maß auf die Erfolge der legendären Kompressor-Sportwagen S, SS und SSK zurückzuführen. Noch heute profitiert die Marke Mercedes-Benz in erheblichem Maße von der Strahlkraft dieser einmaligen Boliden, die in der Geschichte des Automobils nur wenige Parallelen findet. Unvergessen sind die zahlreichen Rennerfolge der "S-Reihe": Siege beim Großen Preis von Deutschland 1927, 1928 und 1931, bei den Avus-Rennen 1931 und 1932, dem Eifelrennen 1931, der Tourist Trophy 1929, dem Großen Preis von Irland 1930, den "24 Stunden von Spa" 1931 und der "Mille Miglia" 1931, bei den Europa-Bergmeisterschaften der Jahre 1930 und 1931 sowie der Deutschen Alpenmeisterschaft 1932, um nur die wichtigsten zu nennen.
1927 wurde mit dem Typ "S" - das "S" stand für "Sport" - ein neuer leistungsfähiger Sportwagen geschaffen, der sich auch für den Einsatz bei Rennsportveranstaltungen eignete. Ausgehend vom Fahrgestell des Modells "K", dessen Abmessungen man übernahm, wurde ein neues Chassis entwickelt. Durch stärker gewölbte Kröpfungen an Vorder- und Hinterachse wurde der Rahmen deutlich tiefer gelegt. Dadurch, dass man den Motor 30 cm nach hinten versetzte, verbesserte sich die Achslastverteilung, und der großvolumige Sechszylinder konnte außerdem deutlich tiefer eingebaut werden. Die Bestrebungen, ein möglichst niedriges Fahrzeug zu bauen, machten auch vor der Silhouette des Spitzkühlers nicht halt. Der Kühler wies statt acht Blöcken wie beim Typ "K" nur noch sieben Blöcke übereinander auf.
Auch der Motor wurde grundlegend überarbeitet und erhielt bei dieser Gelegenheit gleich eine Konstruktionsnummer, die der nach der Fusion eingeführten internen Nomenklatur entsprach. Er hieß jetzt M 06. Zur Erhöhung des Hubraums auf 6,8 l wurde die Bohrung um 4 mm vergrößert. Dafür mußten im Motorblock umfangreiche Änderungen vorgenommen werden. Um den für die größeren Laufbüchsen erforderlichen Platz zu schaffen, wurde von trockenen auf nasse Zylinderlaufbüchsen umgestellt. Wie das Modell "K" verfügte auch der Typ "S" über Doppelzündung und zwei Zündkerzen pro Zylinder, von denen je eine über die klassische Hochspannungs-Magnetzündung und die andere über Batteriezündung versorgt wurde. In Verbindung mit einer Zwei-Vergaseranlage leistete der neue Sportmotor offiziell 180 PS mit Kompressor. Werksmotoren mit höherer Verdichtung kamen bei Betrieb mit Benzolgemisch auf bis zu 220 PS.
Seinen ersten Einsatz hatte der Typ "S" beim Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring im Juni 1927, wo er Rudolf Caracciola und Adolf Rosenberger zu den Plätzen 1 und 2 verhalf. Caracciola, der später zum erfolgreichsten Rennfahrer der Daimler-Benz AG werden sollte, erreichte über knapp 360 km eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,1 km/h. Fast auf den Tag genau drei Monate später erzielte Rudolf Caracciola bei einem Sprintrennen in Antwerpen einen Schnitt von 194,6 km/h. Damit hatte der Typ "S" seine Klassifizierung als schneller Sportwagen deutlich unter Beweis gestellt. Bereits im April 1927 war er, zusammen mit dem Modell "K", offiziell ins Verkaufsprogramm aufgenommen worden. Unter der neuen Rubrik "Spezial-Sportwagen" enthielt die Preisliste beide Typen in der Ausführung als Viersitzer zu Preisen von RM 26.000,- bzw. RM 30.000,-. Der Typ "S" war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Erscheinung getreten und wurde in der Preisliste als "Modell 1927" geführt. Dies änderte sich erst im Oktober 1927, als neben den Sportviersitzern zusätzlich auch die reinen Fahrgestelle angeboten wurden - zu einem Preis von RM 20.750,- für das Modell "K" und RM 26.000,- für das Modell "S".
1928 ging man nun daran, die Leistung weiter zu erhöhen. Mit der Umstellung auf nasse Zylinderlaufbüchsen hatte man genügend Raum gewonnen, um die Bohrung um weitere 2 auf 100 mm zu erhöhen. Daraus resultierte ein Hubraum von 7,1 l. Den neuen Motor gab es in zwei Leistungsstufen. Die zahmere Variante mit einer Verdichtung von 4,7 leistete 140/200 PS. Die mit 5,2 höherverdichtete Ausführung hatte offiziell eine Leistung von 160/200 PS. Es kann jedoch als sicher gelten, dass aufgrund der höheren Verdichtung und der entsprechenden Abstimmung die angegebene Kompressorleistung von 200 PS übertroffen wurde. Die Kurbelwelle mit ihren vier Hauptlagern erhielt einen Schwingungsdämpfer.
Für den Renneinsatz wurde eine Renn-Nockenwelle entwickelt, die die Leistung auf 170/225 PS erhöhte. Darüber hinaus hatte man auch stärkere Kompressoren mit größeren Drehflügeln parat. Mit dem kleineren der beiden Rennkompressoren wurde eine Leistung von 275 PS erreicht. Diese Kompressorausführung stand ebenso wie die Renn-Nockenwelle auch Privatfahrern zur Verfügung. Das 7,1-l-Aggregat war Mitte 1928 einsatzbereit und wurde in das Fahrgestell des Typ "S" eingebaut. Der mit dem neuen Motor ausgerüstete Rennsportwagen erhielt die Bezeichnung "SS" - für Super-Sport. Am 29. Juni erlebte er seine Feuertaufe beim Bergrennen auf die Bühler Höhe, das im Rahmen des Baden-Badener Automobil-Turniers stattfand und von Rudolf Caracciola souverän gewonnen wurde. Spektakulärer war der nächste Einsatz beim Großen Preis von Deutschland für Sportwagen, der am 15. Juli auf dem Nürburgring ausgefahren wurde. Mit einem Dreifachsieg konnte der Typ "SS" auf Anhieb demonstrieren, was in ihm steckte. Zahlreiche weitere Rennerfolge schlossen sich an, noch bevor der "SS" im Oktober in das Verkaufsprogramm aufgenommen wurde. Der Typ "S", dessen Chassis-Produktion im September 1928 nach 146 gebauten Einheiten auslief, war noch bis Anfang 1930 in der Preisliste verzeichnet.
Während bei der Konzeption des Typ "S" vor allem die Rennsporttauglichkeit im Vordergrund gestanden hatte, war der "SS" trotz seines leistungsgesteigerten Motors in erster Linie als Gran-Tourismo heutiger Prägung gedacht. Deutlich wird dies z.B. am Kühler, der mit acht Blöcken wieder die gleiche Höhe wie beim "K" aufwies und damit eine höhere Karosserielinie als beim "S" ermöglichte. Unterstrichen wurde dies, wenn auch nicht von Anfang an, durch die angebotene Karosserieauswahl. Zunächst gab es außer dem Fahrgestell zwar nur den Sportviersitzer, Ende 1929 ergänzte jedoch ein 4-sitziges Spezial-Cabriolet für RM 44.000,- das Angebot. Im September 1932 kam noch ein 2-sitziges Spezial-Cabriolet hinzu, das auch als Roadster ausgeführt wurde. Der Typ "SS" entstand ab November 1928 in insgesamt 111 Exemplaren, von denen der Löwenanteil mit 101 Einheiten bis Ende 1930 fertiggestellt wurde. Bis September 1933 folgten weitere 10 Fahrzeuge. In den Preislisten war der "SS" bis Juli 1935 enthalten.
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Fotostrecke | Jubiläum: 90 Jahre Mercedes-Benz Typ S
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