Wilhelm Maybach wird am 9. Februar 1846 als Sohn eines Schreinermeisters in Heilbronn geboren und auf den Namen Augustus Wilhelm getauft. Die Familie zieht mit den fünf Söhnen nach Stuttgart, nachdem der Vater seine Schreinerei aufgeben muss. Im Abstand von drei Jahren sterben beide Eltern, mit zehn Jahren ist Wilhelm Maybach Vollwaise.
Aufgrund einer Annonce, die Freunde der Familie 1856 im „ Stuttgarter Anzeiger“ veröffentlichen, nimmt sich das Reutlinger Bruderhaus, eine christlich-soziale Einrichtung, seiner an. Hier geht Wilhelm Maybach auch zur Schule. Gustav Werner, der Gründer und Leiter des Bruderhauses, erkennt früh Maybachs technische Begabung und fördert ihn. Neben seiner 1861 begonnenen Ausbildung im Konstruktionsbüro der Maschinenfabrik erhält der Waisenjunge Unterricht in Englisch, Französisch und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern.
Einige Zeit, nachdem Gottlieb Daimler nach Reutlingen gekommen ist, lernen sich die beiden 1864 kennen. Maybach ist der Zögling einer pietistischen Fürsorgeeinrichtung und Daimler ist ein weltgewandter Ingenieur, der die Maschinenfabrik des Bruderhauses restrukturieren soll. Diese - trotz aller Kongenialität im Technischen - ungleiche Konstellation im Persönlichen setzt sich in einem jahrzehntelangen Treueverhältnis fort. Wilhelm Maybach wird der Weggefährte Gottlieb Daimlers und bleibt mit ihm bis zu dessen Tod am 6. März 1900 eng verbunden.
Mit Daimler geht er im September 1869 nach Karlsruhe und 1872 nach Deutz bei Köln. Bei der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG beginnt er im Juli 1872 als Zeichner und wird im Januar 1873 zum Chefkonstrukteur ernannt. Hier macht sich Wilhelm Maybach schon sehr früh Gedanken über die universellen Verwendungsmöglichkeiten für einen leichten, schnelllaufenden Verbrennungsmotor, beispielsweise zur Mechanisierung des Handwerks. Eine Reise zur Weltausstellung in Philadelphia im Jahr 1876 wird diese Vision sowohl angeregt wie auch bestätigt haben - hat sie Maybach doch die Gelegenheit gegeben, die arbeitsteilige und mechanisierte Fertigungstechnik in den USA zu studieren.
Am 5. September 1878 heiratet Maybach Bertha Pauline Habermaas aus Maulbronn, eine Freundin von Emma Daimler, der er bei Daimlers Hochzeit begegnet ist. Ihr erster Sohn Karl kommt 1879 in Deutz zur Welt.
Nachdem Daimler im Streit die Gasmotoren-Fabrik Deutz verlassen hat, folgt ihm Wilhelm Maybach im Oktober 1882 nach Cannstatt, um dort den leichten, schnelllaufenden Verbrennungsmotor zu entwickeln. Der Nachbarort von Stuttgart wird für die nächsten 25 Jahre zur beruflichen Wirkungsstätte von Wilhelm Maybach. Hier kommen auch sein Sohn Adolf (*1884) und seine Tochter Emma (*1892) zur Welt.
Bereits im April 1882 hat Daimler einen Vertrag mit Wilhelm Maybach abgeschlossen: für eine „ Stelle als Ingenieur und Konstrukteur zur Ausarbeitung und praktischen Durchführung diverser Projekte und Probleme im maschinentechnischen Fache“, zu einem jährlichen Grundgehalt von 3.600 Mark. Um eine langfristige Zusammenarbeit zu sichern, bietet Daimler Maybach eine Beteiligung in Höhe von 30.000 Mark an, um „ die Interessen des Herrn Maybach mit denen des Herrn Daimler dauernd zu verbinden“.
Bei seinen umfangreichen Recherchen entdeckt Wilhelm Maybach in einem Patent des Engländers Watson den Hinweis auf die Möglichkeit einer ungesteuerten Glührohrzündung - eine wichtige Voraussetzung zur Erzielung höherer Drehzahlen, ohne die sich ein leichter und leistungsstarker Motor nicht realisieren lässt. Dem liegenden Versuchsmotor von 1883 folgt die sogenannte Standuhr, ein Motor mit stehendem Zylinder, der besonders leicht und kompakt ist und sich damit auch für den Einbau in Fahrzeuge eignet. 1885 wird zunächst ein hölzernes Zweirad, im Folgejahr dann auch eine Kutsche mit dem neuen Motor ausgerüstet. Aber Maybach ist rasch klar, dass es nicht ausreichen wird, lediglich Motoren für Kutschen zu produzieren.
Er denkt weiter und entwickelt mit dem Motor-Quadricycle den ersten komplett eigenständig konstruierten Motorwagen aus Daimlers Werkstätten. Wegen seiner Stahlspeichenräder wird das Vierradfahrzeug auch als „Stahlradwagen“ bezeichnet. Als Antrieb fungiert der erste Zweizylinder-Benzinmotor, der auf der „Standuhr“ basiert und als V-Motor ausgeführt ist. Bei diesem Fahrzeug fällt Maybach auch das Verdienst zu, das Zahnradwechselgetriebe in den Automobilbau eingeführt zu haben.
Auf der Pariser Weltausstellung von 1889 präsentiert, trägt Maybachs Konstruktion außerdem maßgeblich zur Entstehung der französischen Automobilindustrie bei. Die Firma Panhard & Levassor beginnt im Herbst 1889 mit der Lizenzproduktion des Zweizylinder-V-Motors und verwendet ihn für eigene Fahrzeuge, die sie auf Basis des Stahlradwagens entwickelt hat. Außerdem liefert der Pariser Hersteller die Daimler-Lizenzmotoren ab März 1890 an Peugeot, einen renommierten Produzenten von Werkzeugen, Maschinen, Haushaltsgeräten und Fahrrädern: Das traditionsreiche französische Unternehmen baut die Zweizylinder in seine neu entwickelten Motorwagen ein und wird damit ebenfalls zum Automobilhersteller.
Als Daimler im November 1890 mit Max Duttenhofer und Wilhelm Lorenz die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) gründet, soll Wilhelm Maybach Chefkonstrukteur werden. Aufgrund der unbefriedigenden Vertragsbedingungen verlässt er die DMG jedoch bereits im Februar 1891 wieder.
Was nun folgt, ist eine erstaunliche Notlösung: Maybach arbeitet insgeheim weiter für, aber nicht mehr mit Daimler, der trotz anhaltender Konflikte mit den Geldgebern in der DMG bleibt. In Maybachs Privatwohnung in Cannstatt wird das Konstruktionsbüro eingerichtet, in dem zielsicher an der Automobilität gearbeitet wird. Im Herbst 1892 mietet Maybach, ebenfalls von Daimler finanziert, den Festsaal des ehemaligen Cannstatter Hotels Hermann. Dort entwickelt er mit einem kleinen Team so bedeutende Konstruktionen wie den Riemenantrieb, den „Phönix“-Motor und den Spritzdüsenvergaser, der Jahrzehnte lang von der Automobilindustrie genutzt wird.
Auf Druck des englischen Industriellen Frederick R. Simms, der mit der DMG ein großes Lizenzgeschäft abschließt, können Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach im November 1895 in die DMG zurückkehren. Maybach wird mit Vertrag vom 8. November 1895 zum Technischen Direktor ernannt und erhält Aktien im Wert von 30.000 Mark, auf die er nach dem Vertrag mit Daimler aus dem Jahr 1882 Anspruch hat. Für Maybach geht es nun zuallererst darum, mit technisch fortschrittlichen und zuverlässigen Produkten die Konkurrenzfähigkeit der DMG wiederherzustellen. Damit beginnt eine umfangreiche Entwicklungstätigkeit, und die im Hotel Hermann erdachten Konstruktionen können in die Serienproduktion einfließen. Wichtigstes Ergebnis ist der sogenannte Riemenwagen, das erste Automobil, das die DMG in nennenswerten Stückzahlen herstellt. Es ist mit dem Zweizylinder-„Phönix“-Motor und Riemenantrieb ausgerüstet. Maybach entwickelt 1897 den Röhrchenkühler mit Ventilator und verbessert ihn 1900 zum sogenannten Bienenwabenkühler. Erst diese effizienten Kühlersysteme ermöglichen geschlossene Kühlkreisläufe und damit leistungsfähigere und verlässlichere Fahrzeuge.
Eine der herausragendsten Konstruktionen Maybachs für das gemeinsame Unternehmen erlebt Gottlieb Daimler wegen seines frühen Todes nicht mehr: den ersten Mercedes, der auf der „Woche von Nizza“ im März 1901 Furore macht. Er ist ein leichtes und leistungsstarkes Fahrzeug mit niedrigem Schwerpunkt, das sich von allen bisher gebauten Wagen deutlich abhebt. Der Mercedes 35 PS gibt dem Automobil eine eigenständige Form und beendet damit das Kutschenzeitalter im Automobilbau. Seine Entstehung verdankt diese richtungweisende Konstruktion, die als erstes modernes Automobil gilt, nicht nur dem konstruktiven Genie von Wilhelm Maybach, sondern auch der Initiative von Emil Jellinek. Der Geschäftsmann und Automobilenthusiast mit Wohnsitzen in Baden bei Wien und Nizza hat 1897 seinen ersten Daimler-Wagen erworben und seither von Maybach und der DMG immer leistungsstärkere und schnellere Fahrzeuge gefordert.
Mit spektakulären Rennsiegen und ebenso beeindruckenden Verkaufserfolgen läuten die Mercedes-Wagen eine neue Ära ein und bescheren der DMG einen ungeahnten Aufschwung. Ihr Schöpfer, in Frankreich respektvoll „roi des constructeurs (König der Konstrukteure)“ genannt, erfährt dennoch nicht die ihm gebührende Würdigung und wird das Opfer von Intrigen. Nach dem Tod des Aufsichtsratsvorsitzenden Max von Duttenhofer im August 1903 wird seine Position Schritt für Schritt demontiert: Maybach wird in seiner Funktion als Technischer Direktor abgelöst und in seinen Aktivitäten auf ein „Erfinderbüro“ außerhalb der direkten Produktentwicklung beschränkt. Im April 1907 verlässt er schließlich verbittert die DMG.
Eineinhalb Jahre später wird ein Unglück zum Auslöser des Neubeginns, als am 5. August 1908 in Echterdingen bei Stuttgart das Zeppelin-Luftschiff LZ 4 bei der Landung durch Sturmböen zerstört wird. Die ganze Nation sammelt Geld, um Graf Ferdinand von Zeppelin den Bau eines neuen Luftschiffes zu ermöglichen, und Wilhelm Maybach bietet dem Grafen seinen Beitrag für die „nationale Sache“ an: Er schlägt vor, einen von seinem Sohn Karl konstruierten neuen, verbesserten Luftschiffmotor zu verwenden.
Graf Zeppelin ist begeistert, und am 23. März 1909 wird unter Beteiligung der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen die Luftfahrzeug-Motorenbau-GmbH mit Sitz in Bissingen bei Ludwigsburg gegründet. Technischer Leiter wird Karl Maybach, der durch die intensive Zusammenarbeit mit seinem Vater, unter anderem bei der DMG, fachlich hervorragend qualifiziert ist. Am 26. Juni 1911 startet der Zeppelin LZ 10 „ Schwaben“ mit drei der neuen Maybach-Motoren zu seiner ersten Fahrt. Im Februar 1912 übersiedelt die in „Motorenbau GmbH“ umbenannte Firma nach Friedrichshafen am Bodensee, wo auch die Luftschiffbau Zeppelin GmbH ihren Sitz hat.
1918 wird das Unternehmen in „ Maybach-Motorenbau GmbH“ umbenannt. Der Versailler Vertrag verbietet die Produktion von Luftschiffen und Flugzeugen in Deutschland, und so wendet sich die Firma Maybach dem Automobilbau zu. Im September 1921 debütiert der Maybach 22/70 PS (W 3) auf der Automobilausstellung in Berlin, und 1922 beginnt die Serienfertigung in Friedrichshafen. Diesem ersten Maybach-Automobil folgen leistungsstärkere und luxuriösere Modelle. Einen ersten Höhepunkt der Entwicklung bildet der Maybach Typ 12 von 1929. Er ist das erste Serien-Automobil mit V12‑Motor und gilt als deutsches Pendant zum Rolls-Royce. Die Präsentation dieses Meilensteins, einer Konstruktion seines Sohns Karl, kann Wilhelm Maybach noch miterleben.
Für sein Lebenswerk erhält der „ König der Konstrukteure“ eine Reihe von Auszeichnungen: 1915 wird er vom Württembergischen König zum Oberbaurat ernannt, und ein Jahr später verleiht ihm die Technische Hochschule Stuttgart die Ehrendoktorwürde. 1922 schließlich erhält er vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) auf der Hauptversammlung in Dortmund dessen höchste Auszeichnung, die Grashof-Gedenkmünze in Gold, „in Anerkennung seiner großen Verdienste, die er sich als bahnbrechender Konstrukteur um die Schöpfung des neuzeitlichen Kraftfahrzeugs und um die Entwicklung der raschlaufenden Verbrennungskraftmaschine erworben hat.“ Am 29. Dezember 1929 stirbt Wilhelm Maybach im Alter von 83 Jahren in Cannstatt. Dort liegt der Automobilpionier auch begraben – auf dem Uff-Kirchhof, in unmittelbarer Nähe von Gottlieb Daimler.
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