Mercedes: Kompakt und Klasse Teil 3

Die Wirtschaftswunderjahre haben auch mal klein angefangen: der 170 V treibt an - zahlreiche Studien für die Kompakt-Klasse!

Mercedes: Kompakt und Klasse Teil 3: Die Wirtschaftswunderjahre haben auch mal klein angefangen: der 170 V treibt an - zahlreiche Studien für die Kompakt-Klasse!
Erstellt am 3. Juni 2010

Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt die Pkw-Produktion mit dem Erfolgstyp Mercedes 170 V - zunächst als Krankenwagen, Polizei-Streifenwagen und Lieferwagen. Im Juli 1947 läuft auch die Ausführung als Limousine wieder an. Parallel werden völlig neue Fahrzeuge konzipiert, darunter recht ungewöhnliche Kreationen. Ein besonders kleines Automobil, zumindest für die Verhältnisse von Daimler-Benz, entsteht 1948. Es ist ein kompakter Wagen mit einer Gesamtlänge von 3,70 Metern. Er hat zwei Türen, vorn eine Sitzbank für bis zu drei Personen und hinten eine weitere kleine Sitzbank für den Nachwuchs.

Kleine Modellstudie

Als Motor ist für diesen Zweitürer ein Vierzylindermotor mit obenliegender Nockenwelle und einem Hubraum von 1,2 Litern vorgesehen, abgeleitet aus dem ebenfalls im Projektstadium befindlichen 1,8-Liter-Sechszylindermotor. Dazu bemerkt Chefingenieur Fritz Nallinger im März 1949: „Die seinerzeit beschlossene Konstruktion eines leichten 2 bis 2 ½ sitzigen Wagens (560 kg) ist inzwischen sehr weit fortgeschritten und zeigt ein günstiges Ergebnis.“ Dennoch bleibt das Fahrzeug, wie auch die beiden Motoren, im Projektstadium stecken. Das 1,8-Liter-Aggregat wird später zum 2,2-Liter-Motor der Baureihe M 180 für den Mercedes-Benz 220 weiterentwickelt.

W 122

Gut drei Jahre später – die Pkw-Modellpalette umfasst inzwischen wieder in vollem Umfang das etablierte Programm vom Typ 170 V bis zum Repräsentationsfahrzeug – beschließt der Daimler-Benz Vorstand in seiner Sitzung vom 2. Februar 1953 die Konstruktion eines Wagens, der hinsichtlich Material- und Lohnkosten 15 bis 20 Prozent unter dem Typ 170 V liegen soll. Er soll Nachfolger der Typen 170 V und 170 D (W 136) sein, nachdem der Typ 170 S im Herbst 1953 vom Typ 180 (W 120) ersetzt wird. Nallinger beschreibt das neue Fahrzeug: „Es ist offensichtlich, dass die Karosserie neu werden muss, wobei der Innenraum und die Fensterfläche gegenüber dem W 120 verkleinert werden. Breiten- und Längenmaße wie beim 170 S, 2-türige Karosserie, Spritzwand, Armaturenbrett, Kofferraum wie beim W 120, Vordersitze entsprechend 170 V.“

W 122: Ein Projekt mit vielen Gesichtern

Bis zum Jahr 1956 erreicht das dann intern W 122 genannte Fahrzeug eine beachtliche Reife. Aufgrund aller Zutaten hat es das Zeug zu einem großen Erfolg. Zur Serienproduktion kommt es dennoch nicht, aus zwei Gründen: Zum einen übernimmt Daimler-Benz 1958 die Auto Union, somit besteht eine gewisse Interessenskollision zwischen einem großen DKW und einem kleinen Mercedes-Benz. Zum anderen lassen die kurz vor ihrer Markteinführung stehenden Modelle der Baureihe W 111 mit ihrem neuen Sicherheitskonzept eine Baureihe W 122 auf der konventionellen Plattform der Baureihe W 120, so wie in der letzten Version geplant, veraltet erscheinen.

W 122 mit SL-Look

Aus heutiger Sicht ist das Aussehen der Baureihe W 122 äußerst interessant: Schon Mitte der 1950er Jahre experimentiert man beim Design einer Limousine mit dem SL-Gesicht. Damals ist es als Ablösung des traditionellen Mercedes-Benz Gesichts gedacht. Viele Jahre später wird es in der C-Klasse (Baureihe 204) in der Ausstattungslinie Avantgarde als Alternative angeboten.

Mercedes-Benz W 118 / W 119

Nallinger gibt seine Idee eines Anschlusstyps oder Grenztyps nach unten, wie er diese Fahrzeuggruppe definiert, nicht auf. Zumal mit dem Kauf der Auto Union mittelfristig Entwicklungsbedarf besteht. Denn absehbar ist, dass die Zweitaktfahrzeuge der Auto-Union-Marke DKW keine Zukunft haben, und für ein schlüssiges Gesamtportfolio fehlt ein Mercedes-Benz Produkt unterhalb der bisherigen Modellklassen.

So konstruiert die Vorentwicklung in Untertürkheim – Leiter ist Ludwig Kraus – damals ein solches Fahrzeug unter der Projektbezeichnung W 118. Für dieses sehen die Ingenieure einen ventilgesteuerten Boxermotor mit 1,5 Liter Hubraum und Frontantrieb vor. Zeitgleich wird ein neuer, hochverdichteter Vierzylinder-Reihenmotor (M 118) mit 1,7 Liter Hubraum erprobt. Der W 118 wird zum W 119 weiterentwickelt. Dieser hat einen neuen hochverdichteten Motor, von Daimler-Benz H-Motor genannt, der mit seiner hohen Verdichtung von 1:11,2 und großer Sparsamkeit beeindruckt. Es entstehen Versuchsfahrzeuge, die mit ihrem SL-Gesicht, der niedrigen Gürtellinie, dem lichten Dachaufbau und der Heckgestaltung eine stilistische Nähe zum Mercedes-Benz 230 SL (W 113) haben. Auch bei späterer Betrachtung ist die Baureihe sehr ansehnlich.

Als es in den Jahren 1962/63 bei der damaligen Daimler-Benz Tochter Auto-Union Probleme mit den Zweitaktmotoren des DKW F 102 gibt, schickt Nallinger Kraus zur Schadensbegrenzung dorthin. In dessen Gepäck befinden sich die Pläne für die Baureihe W 119 und für den H-Motor. Dieser kommt von Mitte der 1960er Jahre an bei der Auto-Union unter der Bezeichnung Mitteldruckmotor zum Einsatz. Dadurch ermöglicht Daimler-Benz dem Tochterunternehmen die Ablösung der nicht mehr zeitgemäßen Zweitaktmotoren zugunsten moderner Viertaktmotoren. Die Auto-Union wird 1964/65 an Volkswagen verkauft.

Nallinger erläutert im Dezember 1965: „Es war seinerzeit angedacht, dass dieser Typ – der, wie angeführt, schon in Erprobung bei uns war – eventuell bei BMW oder der Auto Union fabriziert werden würde.“ Und fährt programmatisch fort: „Ich vertrete die Meinung, dass ein solcher Zweitwagentyp, der auch als Auffangtyp gelten kann, nun [, also viele Jahre später,] schleunigst wieder konstruiert und versuchsmäßig in Angriff genommen werden muss [...].“

Fortsetzung folgt...

Teil 4: Aufbruch in die Moderne

32 Bilder Fotostrecke | Kompakt und preisgünstig Teil 3: Die Wirtschaftswunderjahre #01 #02

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