Im November 2013 berichteten wir über einen amerikanischen Mercedes-Fan, der in Bonneville auf dem Salzsee auf Rekordjagd ging. Vier Jahre später publizierte der US-Journalist Jim McCraw, auf dem Daimler Blog, dass die Hatz nach Rekorden nun ein Ende gefunden hat. Wir baten die Kollegen um Amtshilfe und können die Story nun auch hier präsentieren. Jim McCraw hat das Wort…
Diese Geschichte handelt von einem außergewöhnlichen Mann mit einer außergewöhnlichen Leidenschaft: Bob Sirna.
Ich, Jim McCraw, ehemaliger Auto-Journalist, kenne ihn seit mehr als einem Vierteljahrhundert, und bin schon seit vielen Jahren in seiner Boxencrew bei Oldtimer-Sportwagen- und Indycar-Rennen dabei – auch auf dem Salzsee von Bonneville in Utah.
Bob Sirna aus Rochester in Michigan ist der einzige Mann weltweit, der ein 1955er Mercedes-Benz Flügeltürer-Coupé auf dem Salzsee von Bonneville fährt. Er hat damit im Laufe der Jahre 13 Mal versucht, einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, war aber bis zum Spätsommer 2016 nicht erfolgreich.
Infiziert mit "Salzfieber"
Video: Mercedes 300 SL Flügeltürer als Salzsee-Renner Millionenschwerer Mercedes-Klassiker auf der Jagd nach Geschwindigkeit Bob Sirna kam vor vielen Jahren über die Flügeltürer-Besitzer Lynn und Roberta Yakel aus Michigan zum Salzsee von Bonneville und wurde mit dem, was die Rennfahrer "Salzfieber" nennen, infiziert. Er beschloss, seinen wunderschön restaurierten silbernen Flügeltürer zu einem Bonneville-Rennwagen für die F/Grand Touring-Klasse umzubauen. Klugerweise verwahrte er alle ursprünglichen Produktionsteile, damit der Flügeltürer später wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht werden kann.
Auf der Jagd nach einem Geschwindigkeitsrekord
Er verbrachte viele Jahre damit, die notwendige Leistung aus dem originalen 3-Liter-Sechszylindermotor mit obenliegender Nockenwelle herauszuholen. Es traten jedoch jedes Jahr neue technische Probleme auf, die einen Geschwindigkeitsrekord in Bonneville verhinderten.
Im Jahr 2015 entschied sich Bob, einen modernen Mercedes dohc-3-Liter-Vierventil-Sechszylindermotor, bearbeitet von der amerikanischen Rennsportfirma Roush Competition Engines einzubauen. (Es heißt, der Roush Motor soll 427 PS bei 9.500 U/min leisten. Anm. d. Redaktion.) Damit sollte der Flügeltürer auf dem 1.280 Meter hoch gelegenen Salzsee von Bonneville von einem besseren Durchsatz und folglich höherer Drehzahl profitieren. Ich begab mich erneut nach Bonneville, um Teil der Sirna-Rekord-Versuchscrew zu werden und die Fahrt mit dem neuen Motor zu fotografieren und aufzuzeichnen.
Nachdem das Auto die technische Inspektion bestanden hatte, trat es seinen Rekordversuch an. Bis zu einer Geschwindigkeit von 302 Stundenkilometern , 25 km/h über dem bestehenden Geschwindigkeitsrekord, lief alles gut. Dann trat ein Schmierproblem am neuen Motor bei hoher Geschwindigkeit auf, das zu einem Motorschaden führte.
Das war der Zeitpunkt, an dem in Bonneville der eigentliche „Spaß“ für Bob Sirna und seine Crew begann, die sich aus ehemaligen Rennsportmechanikern, Konstrukteuren, Elektronik- und Computerexperten, Motorenbauern und sogar einem Arzt zusammensetzte. Wir fanden eine Werkstatt mit Autoteilehandel in Wendover und tauschten dort den defekten Motor gegen einen zweiten, nahezu identischen aus.
Was heißt schon "nahezu identisch"?
Roush-Rennmotor auf Mercedes-Sechszylinder Basis: ca. 427 PS stark und im zweiten Anlauf bis 9.500 U/min standfest.
Die Worte "nahezu identisch" wurden zu einem großen Problem. Da der neue Sechszylinder-Reihenmotor viel größer und breiter war als das ursprüngliche 3-Liter-Aggregat des Flügeltürers, wurde der Raum rundum knapp. Über und unter dem neuen Motor ließ sich der Raum nur noch in Bruchteilen von einem Zoll messen. Daher musste der alte Motor sehr langsam und sorgfältig entfernt und der neue Motor noch langsamer und sorgfältiger installiert werden, damit Kraftstoffleitungen, Ansaugsystem, Abgasanlage und Verkabelung richtig passen.
Der Aus- und Einbauprozess dauerte zwei volle Tage, begleitet von kraftvoller Ausdrucksweise und ein paar frustrierten Lachern. Wenn eine Seite des Motors in Ordnung war, funktionierte die andere Seite nicht. Wenn die andere Seite in Ordnung war, passte die Vorderseite des Motors nicht mehr hinter den Kühler. Doch das Salzfieber ließ uns alle nicht ruhen…
Der Motor musste in einem sehr radikalen Winkel installiert werden, damit wir ihn mit dem maßgeschneiderten 5-Gang-Schaltgetriebe samt hydraulischer Kupplung zusammenfügen konnten. In der Regel bewegten fünf erwachsene Männer den Motor und seine Anbauteile. Ein weiterer Mann unter dem Fahrzeug dirigierte das hintere Ende des Motors in Richtung Getriebe.
Noch mehr Herausforderungen: Gebrochene Kupplung
Die hohe Übersetzung der Salzseerenner erfordert den Einsatz der sogenannten Pushtrucks. Erst recht bei einer maladen Kupplung!
Ja, die Kupplung! Sobald der neue Motor installiert war und alle Einlass-, Auspuff-, Kühl- und Verdrahtungsanschlüsse fertig waren, entdeckten wir, dass die Kupplung wegen eines anhaltenden Flüssigkeitslecks im Kreislauf nicht kuppeln wollte. Man musste den Rennwagen anschieben und die Gangwechsel waren problematisch. Aber es war viel zu spät, alles wieder auseinanderzunehmen. Daher gingen wir mit einer maladen Kupplung an den Start.
Während wir in der langen Reihe von Rennwagen warteten, die versuchten, einen Rekord aufzustellen, prüften wir nochmals alles und wärmten das Motoröl mit Hilfe eines Generators vor. Dieser war auf dem Pickup montiert, der den Flügeltürer beim Start anschieben sollte. Schließlich kamen wir an die Reihe.
Nach 15 Jahren mit Versuchen: bestätigter Rekord!
Gelingt im Run eine eine Rekordzeit, geht das Auto in den parc ferme und muss am folgenden Tag den Rekord bestätigen. Das Mittel aus beiden Läufen muss über dem bisherigen Rekord liegen
Nach etwa hundert Metern Anschieben schoß der Flügeltürer davon und Bob schaltete durch alle fünf Gänge, bis der Motor 9.500 U/min im fünften Gang erreichte. Der 300 SL schnellte auf eine Geschwindigkeit von 305,3 Stundenkilometern. Das war ein Rekord! Doch erst durch einen zweiten Lauf würde dieser bestätigt und als gültig anerkannt.
Danach wurde das Auto zur Verwahrung ins Nachtlager geschleppt.
Der zweite Lauf am nächsten Morgen war sogar noch schneller als der erste, 308,7 Stundenkilometer, ein Rekordschnitt von 307 Stundenkilometer, fast 29 km/h über dem alten F/GT-Rekord. Der Silberpfeil bestand problemlos die technische Inspektion nach dem Rennen und der Rekord wurde bestätigt – nach 15 Jahren, die wir mit Versuchen verbracht hatten.
Der schnellste Flügeltürer der Welt!
Einige Wochen nach der offiziellen Anerkennung des Rekords wurde Bob Sirna vom Bereich Antriebsstrang der Abteilung Forschung und Entwicklung von Mercedes-Benz in Deutschland informiert, dass er als Besitzer, Erbauer und Fahrer des schnellsten Flügeltürers der Welt ausgezeichnet wurde.
Wörtlich war zu lesen:
„Über die Jahre gab es viele bekannte Rennfahrer, die diese mittlerweile historischen Mercedes Fahrzeuge lenkten. Sie waren während der Rekordfahrt jedoch der weltweit schnellste! Herzlichen Glückwunsch zu dieser unglaublichen Leistung.”
In den vergangenen Monaten hat mein Freund Bob Sirna seinen Flügeltürer bei prestigeträchtigen Ereignissen wie dem Amelia Island Concours d’Elegance in Florida und dem Concours d’Elegance of America in Plymouth (Michigan) vorgeführt. Im nächsten Jahr wird er das Auto komplett auseinandernehmen und in seinen Originalzustand zurückversetzen. Danach wird es der einzig straßentaugliche Flügeltürer weltweit sein, der einen Geschwindigkeitsrekord in Bonneville erreicht hat. Aber wer weiß, wann das Salzfieber wieder ausbricht.
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