Rallye Köln Historic 2015

Mit einem Mercedes–Benz 560 SEC im Kampf gegen die Uhr

Rallye Köln Historic 2015: Mit einem Mercedes–Benz 560 SEC im Kampf gegen die Uhr
Erstellt am 8. Oktober 2015

Jetzt hängt dieser kleine MGB doch tatsächlich schon wieder bei uns im Heck. Also schaue ich vom Außenspiegel zurück ins Roadbook und signalisiere dem Piloten "Tritt drauf!“

Wir sind unterwegs bei der Köln Historic 2015, einer Rallye für Old- und Youngtimer. Rund 130 Fahrzeuge haben sich angemeldet, um gemeinsam die Rallyestrecke durch den Westerwald tourensportlich im Angriff zu nehmen. Zwölf Prüfungen warten auf uns. Uns, das ist in diesem Fall neben Finn und mir ein Mercedes-Benz 560 SEC von 1989. Und nicht zu vergessen, zwei Kolleginnen der Daimler AG, die uns obendrein bei den letzten Vorbereitungen des Autos unterstützt haben. Wobei diese Formulierung nicht ganz korrekt ist, eigentlich haben Sandra und Binh alles für uns gemacht.

 

Das 89er C 126 Coupé ist ein Traum

Wir sind total begeistert vom augenscheinlich guten Zustand des schönen 89er Coupés. Was für eine zeitlos-elegante Linienführung, im Innenraum herrscht dagegen äußerst strenge Sachlichkeit. Es war die Zeit der eingelegten „Holzbrettchen“, die Funktionen für Sitzheizung, Fensterheber, Nebelrückleuchte usw. wurden durch Kippschalter betätigt, die man damals so vermutlich auch im Baumarkt kaufen konnte. Zumindest sehen sie so aus und W124-Freunde oder 201-Fans wissen, was ich meine. Denn sie haben die gleichen Schalter im Auto. In zweiter oder dritter Hand machten die C126-Coupés damals oft einen harten Streifen mit. Ich sage nur Boom Bang Boom. Man mag damals über die aufgepumpten Quasi-Boliden geschmunzelt haben, doch die Zeiten als „Ludenschüssel“ sind beim 126er-Coupé überwunden. Glücklicherweise.

Sandra und Binh haben das Auto bereits perfekt vorbereitet. Die Startnummern sind aufgeklebt, eine Tasche mit Sonax-Pflegemitteln liegt im Kofferraum und das Roadbook auf dem Beifahrersitz. Es ist nicht unsere erste Rallye, aber wir zählen auch nicht zu den ausgewiesenen Rallye-Profis, genau wie unser Coupé, das durch keinerlei Modifikation irgendwelche sportlichen Ambitionen demonstriert. Naja, zur Not haben wir ja einen V8 mit 279 PS unter der Haube und der kann bei Bedarf – das wissen wir von unserem 560 SE – auch ganz gut hinlangen. Freilich, die Automatik ist im Vergleich zu den heutigen automatischen Schaltgetrieben etwas hüftsteif. Aber schneller als die Polizei erlaubt, würden wir sowieso nicht fahren. Niemals nicht. Denn für alle Rallyeteilnehmer gilt auch das Regelwerk der Straßenverkehrsordnung. Also jetzt noch schnell zum Fahrer-Briefing. Dort treffen wir auch unseren Startnachbarn, der mit einem mittlerweile rar gewordenen Peugeot 504 auf noch rareren Peugeot Alufelgen in das Geschehen eingreifen wird.

Bei Tourensport-Rallyes kann jeder mitfahren - auch wir!

17 Bilder Fotostrecke | Rallye Köln Historic 2015: Mit einem Mercedes–Benz 560 SEC im Kampf gegen die Uhr #01 #02 Das Starterfeld ist spannend, weil bunt gemischt. Neben zahlreichen Mercedes Benz Modellen ist vom alten Käfer im Rallye Trimm bis zum American Muscle Car wie einer Corvette in Gran Sport Optik wirklich alles vertreten. Darunter auch richtig seltene Schätzchen wie ein Citroen SM. Na, hoffentlich ist dessen Vergaserbatterie auf dem Maserati Motor korrekt eingestellt. Apropos korrekte Einstellung. Es hat uns schon ein bisschen gewundert, dass einige der Teilnehmer mit der Technik massiv zu kämpfen hatten. So begegneten wir immer wieder Fahrzeugen, die mit schlechter Gasannahme und unrundem Motorlauf rangen. Offensichtlich werden Mechaniker, die mit analoger Gemischaufbereitung vertraut sind, immer weniger.

Unser 560 SEC war dagegen genau wie das 124er E-Klasse Cabrio von Sandra und Binh optimal vorbereitet - bis auf ein winziges Detail, wie sich später noch herausstellen sollte. Aber die Technik war top und das Auto lief hervorragend.

Es fiel auf, dass rund die Hälfte der Teilnehmer mit Autos an den Start ging, die für Tourensport-Rallyes entsprechend optimiert waren. Einige hatten Gegensprechanlagen mit Kopfhörern an Bord und viele waren ausgestattet mit Tripmastern, was speziell bei den WPs eine große Hilfe ist und einige fuhren gar mit GPS an Board. Wir konzentrieren uns dagegen auf eine Stoppuhr und unser iPhone. In den Augen der Profis gaben wir damit wohl eher ein bemitleidenswertes Bild ab. Sorgen bereitete mir zu diesem Zeitpunkt lediglich der Ladezustand von nicht einmal mehr 30 %. Aber, Kabel und Adapter lagen griffbereit in der Mittelkonsole. Was sollte also schief gehen? Diese Hoffnung war trügerisch.

Auf genaues Timing kommt es an!

6 Fotos, 2 Postings und 1 Filmchen später meldete sich der im Körper eines Mobiltelefons gefangene Vielfraß „Ich habe Hunger! Ich brauch' Ladung oder Streik!“ Offensichtlich klappt es mit der Stromzufuhr nicht so wie erhofft. Adapter und 12 V Buchse konnten nicht miteinander. Damit waren wir nach der Wertungsprüfung 2 (WP2) praktisch blind und ich stellte mich schon einmal darauf ein, die Sollzeiten der noch ausstehenden WPs für meinen Piloten laut an den Fingern runter zählen zu müssen.

Während die Verbindungsetappen mit einem den Verkehrsregeln angepassten Schnitt gefahren werden, geht es bei den Wertungsprüfungen immer auf Zeit. Allerdings nicht um maximale Schnelligkeit, sondern um Präzision bis ins Hundertstel. Es gilt, eine Strecke in einer vorgegebenen Zeit möglichst genau zu durchfahren. Ohne Uhr, nur mit gefühlsmäßig einigermaßen wackeligem Herunterzählen, ist gar nicht viel zu machen. Naja, selbst schuld. Wir hätten ja auch mit einem vollgeladenen Handy antreten können.

Kartenlesen unter Druck: wenn vor Dir alle rechts abbiegen und dabei geht es gerade aus!

Immerhin, unser Stündchen schlug bei den Verbindungsetappen. Hier waren wir immer rechtzeitig bei der Zeitkontrolle, konnten so mit Adleraugen die dort aufgestellte Uhr beobachten und fuhren immer dann zum Abstempeln vor, wenn unsere Sollzeit angezeigt wurde. Euphorie machte sich breit im Coupé, hatten wir doch mitgekriegt, dass einige Starter mit der Orientierung arg zu kämpfen hatten. Bis auf eine einzige verpasste Abzweigung lagen wir da aber gut im Rennen. Die zeit hatten wir locker wieder reingeholt.

Finn zuckte hinsichtlich des Kontrollverlusts unserer Uhr einfach nur die Schultern und klemmte sich dann hinter jene Kandidaten, die ihm einigermaßen flott erschienen. Und so schnüffelten wir erst am Auspuff eines orangenen Ford 17 m RS 2.6, dann an einem 124er E 500 und zwischendurch auch an einem Ford Capri. Wenn also einer der Teilnehmer vor uns auf den Landstraßen plötzlich kräftig angaste, dann zogen wir in unserem Coupé einfach mit. Wenn der Co-Pilot vor uns allerdings da „links rum“ ansagte, wo wir rechts abbogen, dann galt es einen neuen Vordermann zu suchen.

 

Käfig, Schalensitze, Sportfahrwerk.....alles nur geträumt

Nun ist der 560 SEC aber vom Naturell eher ein sanfter Gleiter als ein Sportwagen, der sich am liebsten von einer Kurve in die nächste wirft. "Ganz schon kopflastig!", so mein Pilot, als er irgendwo im Westerwald mit dem Mercedes Coupé durch die engen Kurven pflügte. „Ein Sperrdifferenzial wäre vielleicht von Vorteil“, brummte er in engen Spitzkehren. „Rennschalensitze vielleicht auch!“ Ja, man kann immer alles besser machen und im Laufe des Tages hatten wir so viel Positionen auf unserem imaginären Ausstattungs-Block, dass unser 560 SEC dem „Nadelstreifen“-500 SEC AMG, mit dem Heyer/Glemser/Mertes 1989 in Spa antraten, gedanklich schon verdammt ähnlich sah.

Notwendig sind solche Modifikationen freilich alle nicht. Wir fuhren doch nur in der Tourensportklasse. Aber wenn vor dir und hinter dir kleine Sportwagen drücken, dann bist du ganz schnell angefixt. Zumindest wir. Am Nachmittag hatten wir mittlerweile auch wieder ein aufgeladenes Handy, nachdem wir in der Mittagspause eine Steckdose auftreiben konnten. Was uns allerdings nicht bei allen Wertungsprüfung wirklich weiter helfen sollte.

Egal, noch vor Abschluss der Rallye stand der Beschluss fest, dass wir 2016 auf jeden Fall mehr als nur eine Rallye fahren wollen, weil‘s einfach Spaß macht. Wenn es da nicht einige Protestschädel gäbe, aber das ist eine andere Sache.

Wer gern Auto fährt, ist bei so einer Veranstaltung bestens aufgehoben. Es waren interessante Autos am Start und die Streckenführung durch den Westerwald war großartig. So habe ich die Gegend dort noch nie gesehen. Die Wertungsprüfungen bringen ein bisschen Spannung und Nervenkitzel. Und am Ende hat man nach 250-300 km einen tollen Tag hinter sich. Wir landeten übrigens am Schluss auf Platz 51. Vielleicht sollten wir es doch mal mit einem Tripmaster probieren…

 

Mercedes-Fans Facts

Technische Daten Mercedes-Benz 560 SEC (C126) 1989

 

Motor: Reihensechszylinder mit 5547 cm³ Hubraum, mech.-elektron. Einspritzung Bosch KE III-Jetronic, max. Drehmoment 430 Nm bei 3750 U/min
Leistung: 279 PS bei 5.200 U/min
Kraftübertragung: Hinterradantrieb, 4-Stufen-Wandler-Automatik
Antriebsübersetzung: 2,65
Vorderachse: Doppel-Querlenker, Schraubenfedern, Gummi-Zusatzfedern
Drehstab-Stabilisator
Hinterachse:  Diagonal-Pendelachse, Schräglenker, Schraubenfedern, Gummi-Zusatzfedern
Drehstab-Stabilisator (a.W. Niveauregulierung)
Lenkung: Kugelumlauf mit Servo
Bremsen: 4 Scheiben mit Servo, ABS
Räder:  215/65 VR 15 auf 7x15“
Radstand: 2845 mm
Länge/Breite/Höhe: 4935 / 1828 / 1412 mm
Leergewicht: 1760 kg
Zul. Gesamtgewicht: 2220 kg
Wendekreis: 12,26 m
0 – 100 km/h:  240 km/h
Höchstgeschwindigkeit: 8 s

Verkaufspreis 1989: 155 724 D-Mark

Stückzahl: 28.929 (560 SEC 1985-91)

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