RSP Kulturgut restauriert Altare, Kirchenfenster und spektakuläre Oldtimer

Millimeterarbeit: Die Restauration eines millionenschweren Daimler Knight

RSP Kulturgut restauriert Altare, Kirchenfenster und spektakuläre Oldtimer: Millimeterarbeit: Die Restauration eines millionenschweren Daimler Knight
Erstellt am 2. Juni 2021

Die beiden Münchner Studenten Hayo Ross und Michael Schmidt machten aus ihrer Leidenschaft einst einen Traumberuf. Die gelernten Schreiner restaurieren auf einem Bauernhof südlich von München Altare, Kirchenpforten und wenn es sein muss auch einmal einen seltenen Vorkriegsklassiker.

Der Bauernhof ein paar Kilometer südöstlich von München fällt von der Straße nicht weiter auf und selbst den Ortsnamen Kirchstockach kennt in der benachbarten Millionenmetropole kaum jemand. Hayo Ross, Michael Schmidt und ihr Team können hier in aller Ruhe arbeiten – an Gegenständen, die ihre beste Zeit an sich hinter sich hatten und bald wieder vor sich. Für Ruhe sorgt auch, dass der Firmenname RSP GmbH kaum jemandem etwas sagt und auch der Zusatz „Kulturgut Restaurierung“ keinen vollständigen Aufschluss bringt, was hinter den bestens gesicherten Türen der Klassikfans vor sich geht. RSP restauriert vieles, was anderen überaus lieb und sehr teuer ist. Dabei darf es gerne schon einmal etwas größer sein und so spielt ein Teil des RSP-Teams gerne auch wochenlang auswärts.

Arbeiten am UNESCO-Welterbe Zeche und Kokerei Zollverein

Regelmäßig bringen die Mitarbeiter von Michael Schmidt und Hajo Ross historisch wertvolle Gegenstände wie Gemälde, Altare, Kirchen oder Teile von stillgelegten Zechen wieder zum Strahlen. „Vor Jahren waren wir Monate an der Zeche Zollverein in Essen mit Stahlkonstruktionen beschäftigt, die wir entrostet und später konserviert haben“, erklärt Michael Schmidt, „in den vergangenen Jahren hat es einen Paradigmenwechsel gegeben. Früher sollte immer ein bestimmter Stand am Objekt wieder hergestellt werden; heute geht es zumeist darum, möglichst alles zu erhalten, so wie es gerade ist – egal ob Holz, Metall oder andere Materialien.“

Ein Daimler Knight wird restauriert

Und wenn es sein muss, dann parkt bei RSP in Kirchstockach auch schon einmal ein millionenschwerer Oldtimer, der anders restauriert wird, als man es sonst kennt. So einer ist der Daimler Knight, mit dem sich das Restaurationsteam mehr als ein Jahr beschäftigte. Der ehemals schwarze und nunmehr bläulich schimmernde Daimler Knight ist eine höchst sehenswerte Mischung aus Kutsche und Limousine – Baujahr 1911. Das Besondere: sein Schiebermotor nach dem Verbrennungsprinzip von Charles J. Knight. Doch der Luxus-Daimler wird nicht wie ein normaler Vorkriegsklassiker auf Vordermann gebracht; heißt, bei RSP sollt der Schwabe nach getaner Arbeit kaum aus eigener Motorkraft auf den Transporter Richtung Fellbach. Und auch Führerstand und Innenraum mit den zerborstenen Vorhängen und zerschlissenen Sofasitzen im Fond erstrahlen nach der RSP-Kur keinesfalls in neuem Glanz. Die monatelange Arbeit in einem Spezialraum des Bauernhofes beschäftigt sich ausschließlich mit dem Außenlack.

Lack freilegen in 400 Stunden

Dass die Kabine blau sein könnte, stellte sich dabei durch einen reinen Zufall heraus. „Wir hatten den Knight bei uns der Werkstatt stehen und die Sonne strahlte durch die Fenster“, erinnert sich Mercedes-Klassikexperte Michael Plag, „auf einmal schimmerte die Karosserie bläulich. Da sind wir der Sache auf den Grund gegangen. Ein solches Auto mit Leinöllack ist eben auch nichts anderes als ein historisches Gemälde.“ Eben ein Gemälde, das rollt und damit passt es auch ins Restaurationsportfolio der Bayern, denn dass der Daimler Knight ein echtes Kulturgut ist, dass dürften selbst jene unterstreichen, die mit Autos sonst nichts am Hut haben. „Diesen Lack freizulegen, ist sehr zeitaufwendig“, erläutert Michael Schmidt, „das ganze geschieht mit einem Wattestäbchen und pro Tag schafft man nur eine sehr kleine Fläche. Insgesamt waren es wohl mehr als 400 Stunden.“ Mittlerweile ist der schwarze Decklack, wohl aus den 1920er Jahren stammend, komplett abgetragen worden und die Passagierkabine strahlt ebenso in kräftigem blau wie die Seitenteile des Führerstands. Die komplette Konservierung des Altlacks dauerte mehr als 1.000 Stunden.

Spannende Arbeiten im stillen Kämmerlein

Die Stimmung im RSP-Alltag ist entspannt – es fühlt sich dabei ebenso familiär wie professionell an. Im Obergeschoss des Bauernhofes befindet sich das Büro, wo Kunden empfangen und Projekte besprochen werden – oft stundenlang – immer wieder und wieder. Wenn es wieder einmal etwas länger dauert, wird gemeinsam gekocht und die offene Kaffeebar im italienischen Stil ist ohnehin der Dreh- und Angelpunkt für In- wie Externe. Mit einem schwarzen Filzstift steht auf einer der Wände geschrieben: „mit Blick für das Janze“. Genau den scheint man hier auch bei schweren Projekten nicht zu verlieren und wohl auch deshalb sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Daran hat auch Corona nichts geändert. Begonnen hatte die Geschichte einst in Schwabing an einem Kneipentisch als Hayo und Michael Luftschlösser einer eigenen Firma ersonnen. Der Traum: ein Ort der Zusammenarbeit, an dem sich alle auf Augenhöhe begegnen und an dem sich sämtliches Wissen um Restaurierung unter einem Dach bündelt – zudem sollten dadurch allen Beteiligten ein Auskommen ermöglicht werden. Das hat augenscheinlich geklappt.

Vom Mercedes 300 SL Flügeltürer bis zur Feuerspritze

„Wir haben RSP 1997 gegründet und sind mittlerweile 35 Personen in unserem Unternehmen“, erläutert Schmidt, „wir sind gelernte Schreiner und haben uns dann schnell spezialisiert.“ Geht es bei historischen Bauten um die Erhaltung von historischen Türen, Fenstern, Treppen oder ganzen Fluren, sind Ross und Schmidt mit ihrem Team genau die richtigen und heiß begehrt. Und längst dreht sich alles nicht allein um die Bearbeitung von Hölzern, die schon einmal jahrhundertealt sein können. Gerade die Bearbeitung alter Lacke – bevorzugt aus Leinöl – hat die RSP-Restaurateure bekannt gemacht. Doch es geht auch ein paar Nummern größer. Vor Jahren restaurierten die Spezialisten von RSP eine rote Feuerspritze von 1890 und legten in Millimeterarbeit mit Skalpellen die blaue Farbe des Armaturenbretts eines historischen Sportwagens frei – die Farbe trug den Namen bayrisch-blau und war ein Einzelstück eines Mercedes 300 SL Flügeltürers. Originalität geht so manchem Sammler eben über alles – Zeit und Geld spielen da oftmals eine untergeordnete Rolle.

Lack-Rekonstruktion eines Grand-Prix-Rennwagens von Mercedes

Kein Wunder, dass das RSP-Team ungewöhnlich breit aufgestellt ist. Da gibt es Schreiner, andere sind Meister im Umgang mit historischen Gläsern, Spezialisten für Metalle oder gar die Vergoldung. Besondere Bedeutung kommt dabei den historischen Lacken zu, denn hier sind die Bayern echte Spezialisten, von denen es in ganz Deutschland nur wenige gibt. Vor einigen Jahren rekonstruierten sie den Lack eines Grand-Prix-Rennwagens von Mercedes und schnupperten so ins automobile Klassikgeschäft. Problem: von dem weißen Boliden, der unter anderem bei den Rennen zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Aufsehen sorgte, existierte nur ein Lacksplitter von einem der Fußpedale –gerade einmal 0,5 Quadratzentimeter groß. Die Aufgabe beim Daimler Knight aus dem Jahre 1911 ist kaum weniger anspruchsvoll, denn hier sollte der blaue Lack der Personenkabine unter dem düster schwarzen Leinöllack wieder zum Vorschein kommen.

Und die Experten von RSP haben sichtlich Spaß daran, das eigene Kernspektrum mit Altaren, Holzböden, Kirchenfenstern oder Metallverzierungen um die Arbeit an einem Oldtimer zu ergänzen. Doch der Daimler Knight als Star jeder Autosammlung hat in Kirchstockach tatsächlich nur eine kleine Nebenrolle in seinem abgesperrten Einzelzimmer. In den anderen Räumen liegen fein säuberlich katalogisiert, hunderte von historischen Holztüren, Bodenbelägen und Fenstern. Dabei kommen die Teile nur dann in die Werkstatt, wenn es nicht anders geht. Wenn möglich wird vor Ort gearbeitet, damit die historisch bedeutenden Stücke wie aus dem Nymphenburger Schloss, den historischen AW-Hallen in Saarbrücken oder der Neuen Residenz in Bamberg nicht durch Demontage und Transport beschädigt werden. Denn Erhaltung und Vorsicht gehen über alles – jeden Tag aufs Neue.

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