Start-up-Spirit im Jahr 1888

Gottlieb Daimler und Carl Benz bringen die Mobilität voran

Start-up-Spirit im Jahr 1888: Gottlieb Daimler und Carl Benz bringen die Mobilität voran
Erstellt am 24. Oktober 2018

Die Parallelen sind frappierend: Start-up-Spirit ist heute so aktuell wie in der Frühzeit des Automobils. Beispiel 1888: Nach der Erfindung des Automobils zwei Jahre zuvor treten Carl Benz und Gottlieb Daimler mit weiteren Pionierleistungen auf. Ihre innovativen Ideen bahnen einer neuen Mobilitätswelt den Weg. Visionäre Kraft und agiles Handeln – diese Merkmale zeichnen die damals jungen Unternehmen aus.

Ein frischer Wind weht durch die Wirtschaftswelt: Junge Unternehmen treten mit revolutionären Ideen an, um die Zukunft zu verändern. Es sind typische Start-ups mit kleinen Teams, hoher Agilität und hoher Innovationskraft. Ihr besonderer Schwerpunkt liegt auf neuen Technologien. Was hochaktuell klingt, ist tatsächlich ein Blick zurück ans Ende des 19. Jahrhunderts. Denn in der zweiten Phase der damaligen Gründerzeit herrscht ein ähnlicher Start-up-Geist wie heute in den Hightech-Branchen. Die Automobilpioniere Gottlieb Daimler und Carl Benz befinden sich mitten in dieser quicklebendigen Technologieszene vor 130 Jahren.

Bereits 1883 haben die beiden unabhängig voneinander Pionierleistungen erbracht: Carl Benz gründet mit Geldgebern die Firma Benz & Cie. in Mannheim und beginnt dort mit der Produktion des von ihm konstruierten Zweitaktmotors, der als stationäre Antriebsquelle vielfältige Einsatzmöglichkeiten bietet. Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach entwickeln zur gleichen Zeit in Cannstatt den schnelllaufenden Viertaktmotor. Damit schaffen die Pioniere die Grundlage für die ersten Automobile: Die Gewinne aus dem Verkauf seiner Zweitaktmotoren ermöglichen Benz die Entwicklung des Automobils, und Daimler und Maybach haben mit ihrem innovativen Motor auch gleich die Antriebsquelle für ihre Motorkutsche. 1886 präsentiert Benz das erste Automobil der Welt, den Patent-Motorwagen. Daimler erhält zeitgleich die Fahrgenehmigung für eine motorisierte Kutsche und baut seinen Einzylinder in den vierrädrigen Wagen ein.

Nun, zwei Jahre später, bringen sie 1888 mit zahlreichen innovativen Ideen rund um den schnelllaufenden Verbrennungsmotor die Mobilität weiter voran. Zwei Anliegen haben Daimler und Benz: Einerseits geht es um neue Anwendungen für den Motor. Andererseits soll die Zuverlässigkeit der Arbeitsmaschine als Antrieb des neuartigen Automobils öffentlichkeitswirksam demonstriert werden.

Gottlieb Daimler erkundet mit Nachdruck den Einsatz des mit Wilhelm Maybach entwickelten Verbrennungsmotors in neuen Anwendungen. Nach dem ersten Motorrad der Welt, dem „Reitwagen“ aus dem Jahr 1885, und der Motorkutsche von 1886 gibt es 1888 gleich mehrere innovative Konzepte.

Am Anfang steht eine motorbetriebene Feuerspritze: In dem von Pferden gezogenen Löschfahrzeug übernimmt der Daimler-Motor den Antrieb der Feuerlöschpumpe. Das Konzept überzeugt. Denn der neue Motor ist – im Gegensatz zur aufwendig zu startenden Dampfmaschine – sofort einsatzbereit. Zudem arbeitet er viel ausdauernder als die damals üblichen mit Muskelkraft betriebenen Feuerspritzen oder die sogenannten Gasspritzen, die das Löschwasser für kurze Zeit mit Kohlendioxidgas fördern.

Am 29. Juli 1888 meldet Daimler seine Feuerspritze mit Motorbetrieb zum Patent an. Er erhält am 15. April 1889 die Patentschrift No. 46779, Klasse 59. Für den Einsatz im Brandschutz stimmt Daimler den 0,74 kW (1 PS) starken Motor durch ein kleines Zusatzgetriebe so ab, dass die Feuerlöschpumpe im besonders effizienten Drehzahlbereich von 180 U/min arbeitet. Noch im selben Jahr wird die Feuerspritze weiterentwickelt: Auf dem XIII. deutschen Feuerwehrtag vom 28. bis 31. Juli 1888 in Hannover stellt Daimler eine in der Leistung gesteigerte Variante mit Zweizylindermotor vor, die nun bereits 2,9 kW (4 PS) leistet.

Während Daimler in Cannstatt neue Anwendungsgebiete für seinen Verbrennungsmotor erschließt, steht in Mannheim die umwälzende Erfindung des ersten Automobils der Welt vor ihrer großen Praxisprobe: Bertha Benz, die Ehefrau von Carl Benz, unternimmt im August 1888 mit der auch als Modell 3 bezeichneten Serienausführung des Benz Patent-Motorwagens die erste Fernfahrt der Automobilgeschichte. Sie führt über 106 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim.

Das 1,8 kW (2,5 PS) starke, dreirädrige Fahrzeug wird von Bertha Benz gefahren, ihre Söhne Eugen und Richard begleiten die Mutter auf der Tour. Die erfolgreiche Weltpremiere ist zugleich eine Erprobung unter realistischen Bedingungen. Sie zeigt die Alltagstauglichkeit der Erfindung und gibt Carl Benz Hinweise zur weiteren Verbesserung des Patent-Motorwagens auf dem Weg zur gerade anlaufenden Serienfertigung.

Der nächste Erfolg tritt kurze Zeit später ein: Automobilpionier Benz präsentiert den Patent-Motorwagen zusammen mit mehreren Stationärmotoren auf der ersten Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung für das Deutsche Reich, die vom 1. August bis zum 15. Oktober 1888 in München auf dem Isartorplatz stattfindet. Er führt sein Automobil dort auch öffentlich vor. Am 12. September 1888 erhält er für das weltweit erste in Serie gebaute Automobil mit Verbrennungsmotor eine „Goldene Medaille“.

Während Bertha Benz die Eignung des Automobils für den Reiseverkehr auf der Straße über längere Strecken demonstriert und Carl Benz den Patent-Motorwagen erfolgreich der Öffentlichkeit vorstellt, erschließt Gottlieb Daimler vor 130 Jahren seinem Motor weitere neue Einsatzgebiete.

Besonders spektakulär ist dabei der erste Motorflug der Geschichte am 10. August 1888: An diesem Tag startet um 9 Uhr morgens auf dem daimlerschen Fabrikhof das Luftschiff von Dr. Friedrich Hermann Wölfert zu einer über vier Kilometer weiten Fahrt, die auf dem Aldinger Exerzierplatz bei Kornwestheim endet.

Während der mit Wasserstoffgas gefüllte Auftriebskörper des Luftschiffs hauptsächlich die Schwerkraft überwindet, treibt der 1,8 kW (2,5 PS) starke, schnelllaufende Daimler-Einzylindermotor die beiden Luftschrauben (horizontal und vertikal) an und ist damit für Vortrieb und Trimmen verantwortlich. An diesem Morgen wird deutlich, dass der Viertaktmotor ein großes Potenzial als Flugmotor hat.

1888 liegen die Anfänge von Daimlers Unternehmen als hochinnovative „Garagenfirma“ im Gartenhaus der Cannstatter Daimler-Villa erst wenige Jahre zurück. Der damalige Start-up-Spirit ist im heutigen Weltunternehmen aber so lebendig wie vor 130 Jahren. Dafür steht unter anderem die aktuelle Beteiligung der Daimler AG an Volocopter. Das Luftfahrt-Start-up aus Bruchsal will in wenigen Jahren autonome elektrische Lufttaxis (eVTOL) auf den Markt bringen.

Aber Gottlieb Daimlers Motor geht 1888 nicht nur in die Luft, sondern treibt auch ein neues Schienenfahrzeug an: Nachdem Daimler bereits 1887 anlässlich des Cannstatter Volksfestes eine Miniatur-Straßenbahn mit Benzinmotor vorstellt, folgt 1888 ein vollwertiger Straßenbahnwagen. Die in Stuttgart erscheinende Tageszeitung „Schwäbische Kronik“ berichtet am 7. Oktober 1888 über die am Vortag erfolgte Probefahrt des „Daimler’schen Motorwagens der Neuen Straßenbahn“. Der von einem 2,9 kW (4 PS) starken Einzylindermotor angetriebene Wagen der Stuttgarter Pferdeeisenbahn-Gesellschaft kann bis zu 20 Personen befördern.

Im Kern der Innovationen und Aktionen des Jahres 1888 steckt ein leidenschaftliches Streben danach, die Möglichkeiten der Mobilität weiterzudenken. Heute trägt diese Leidenschaft den Namen CASE. Es ist die Strategie der Daimler AG für die intuitive Mobilität der Zukunft: vernetzt, autonom, geteilt und elektrisch. Heute auf den Weg gebracht und schon morgen auf den Straßen der Welt unterwegs.

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