Die Targa Florio, von 1906 bis 1977 eine der ruhmreichsten Straßenrennstrecken der Welt und einer der Glanzpunkte in der Rennsportkarriere meiner großen Brüder 300 SL und SLR Ich traute meinen Fähigkeiten, die Gedankengänge meines Chefs zu lesen, kaum mehr, als dort seit Mai immer wieder die Idee auftauchte, mit mir, "nur" einem 190 SL, auf Achse nach Sizilien zu reisen. Dort sollte ich dann die Piste unter die Räder nehmen, auf der Sir Stirling Moss und Peter Collins 1955 mit ihrem 300 SLR siegten.
Alles begann mit dem Mercedes-Benz Veteranen-Club Pfingsttreffen 2012 in Bad Honnef, wo erste Informationen über das Ziel der diesjährigen Stella Appassionata von Mercedes-Benz & Friends gehandelt wurden. Seither führten die Gedanken, zu denen ich unbemerkt Zugang habe, immer öfter nach Sizilien. Anfangs glaubte ich an ein Missverständnis meinerseits, aber dann wurde ich immer sicherer, alles richtig eingeordnet zu haben. In 25 Jahren gemeinsamen Oldtimerlebens mit allen Höhen und Tiefen des Schrauberdaseins entwickeln sich offenbar übersinnliche Fähigkeiten, die keiner Täuschung mehr unterliegen.
Zugegeben, zwischendurch wurde ich hin und wieder ein wenig nervös, so atemberaubend toll ich den Plan und das Reiseziel auch fand. Würde der Chef sich tatsächlich für dieses Abenteuer entscheiden Proteste seiner Frau, die bisher bei allen Ritten durch Dick und Dünn und auch als Schrauberassistentin, mit Herzblut dabei war erwartete ich nicht , gäbe es eine Zusage des Veranstalters, würden wir am Ende der Reise die heimische Garage gemeinsam wiedersehen oder würde mich unterwegs jemand Fremdes in seine langen Finger bekommen? Alles das waren Fragen, die mich doch etwas bewegten und, ehrlich gesagt, teilweise beunruhigten.
Die Anmeldung zum Oldtimer-Event des Lebens
Im Juni wurde es dann ernst. Ich wurde angemeldet, im Juli kam die Zusage und ab da tickte nicht nur meine mechanische Borduhr. Die Reisevorbereitungen mussten getroffen werden. Die Anreise sollte Ende September über Genua und ab dort mit der Fähre nach Palermo erfolgen. Buchungen sind ja heute über das Internet kein Problem mehr, ganz anders als zu meiner Jugendzeit. Wer hätte sich damals so etwas vorstellen können?
Nachdem bei der Göttergattin die Bestätigung der Fähre eingegangen war, ging's an die Streckenplanung. Als am günstigsten stellte sich die Anreise über die Gotthardstrecke in der Schweiz heraus. Eine nächtliche Verschnaufpause wurde mir zugestanden, dann sollte es bei gutem Wetter über den Pass, den mir der Chef unbedingt und voller Vertrauen in meine Rüstigkeit gönnen wollte, ansonsten durch den Tunnel weitergehen. Also kam nur ein Zwischenstopp in unmittelbarer Nähe der Tunneleinfahrt in Frage. Die Feinplanung an dieser Stelle lag in der Hand von Petrus.
Mit dem Mercedes-Oldtimer über den Gotthardt Pass
Der hat seine Sache, nachdem er uns in der Woche vor der Abreise mit teilweise Dauerregen und erstem Schnee in den Bergen ziemlich genervt hat, dann ganz hervorragend gemacht. Alle Hoffnung auf die Passroute war schon begraben, als das Internet am Vorabend unserer Abreise für den übernächsten Tag in der Schweiz offenes Wetter meldete. Da gab's nur Eines: Die Panzerkombis für Cabrio-Härtefälle wurden schnellstens noch im Reisegepäck verstaut und zu dritt glaubten wir an die Prognose und unsere Härte im Cabriofahren.
Siehe da, bei einer Zwischenrast im Badischen war es so warm, dass schon am ersten Tag für einige Zeit genüssliches oben offen angesagt war. Der nächste Morgen kam zwar mit Kälte, aber strahlendem Sonnenschein. In Panzerkombi weiblicherseits und angesichts der Außentemperaturen ohne Gefahr des Überhitzens meinerseits erkletterten wir den Gotthard samt Umweg über die kopfsteingepflasterte, alte Tremola Route, eine unverfälschte Erinnerung an Straßen, die ich aus meiner Jugend gewöhnt bin. Leider hat mir nur damals keiner das herrliche Gotthard Panorama, und das auch noch mit freiem Blick nach oben gegönnt. Wenn ich nach diesem Erlebnis bedenke, dass wir anschließend abends bei Regen in Genua ankamen, danke ich Petrus noch jetzt für perfekte Regie.
Transfer via Schiff
Ab der Schiffsverladung am Abend gibt es dann für einige Zeit wenig zu berichten. Was soll sich schon in einem Riesenparkhaus mit Wellengang Großes tun? Aber dann am nächsten Abend nach Einbruch der Dunkelheit der erste Landgang in Palermo: Verkehrsinferno ohne Ende, ein Chaos von Zwei- und Vierrad, rechts, links und außerdem noch vorn in Form von alle Lücken ausnutzenden Linksabbiegern , aber wir kamen heil durch!
Nachdem Palermo hinter uns lag, konnten wir uns wieder den Genüssen des Lebens widmen. Eine herrliche Nachtfahrt, die man nur offen genießen kann, erwartete uns auf unserem Weg in den Badeort St. Vito lo Capo. Meine beiden Weggefährten konnten es sich dort noch am Abend unerwartet auf einem riesigen Ortsfest, auf dem die gesamte Umgebung bis spät in die Nacht unterwegs zu sein schien, gut gehen lassen.
Die Anreise zum Ausgangspunkt der Stella Appassionata, einem Superlativ- Golfclub an der Südküste Siziliens, brachte dann einen ersten Vorgeschmack auf die Fahrerlebnisse der nächsten Tage. Herrliches Wetter, Natur pur, was will man mehr? Ja, und dann das dortige Familientreffen. Kaum zu glauben, wie viele meiner noblen und berühmten Vorfahren ich hier traf!
Der folgende Tag war dem Einfahren, Schauen mit herrlichen Aussichten und Besichtigung einer Meersalzgewinnung, aber auch dem Genießen, so auf einem Weingut und in einer Dessertwein-Kellerei, gewidmet. Diese gehört übrigens der Dynastie Florio, aus der der Begründer der Targa Florio, Vincenzo Florio, stammt.
Zu Besuch auf der Rennstrecke
An der Rennstrecke wartete dann am nächsten Morgen im alten Fahrerlager Hans Herrmann mit dem 300 SLR Manuel Fangios auf uns. Hans sollte eigentlich 1955 neben Stirling Moss den damaligen Sieger-SLR steuern, hätten ihn nicht Nachwirkungen eines vorherigen schweren Unfalls in Monaco freiwillig und obwohl er wieder voll im Training war, auf seinen Platz verzichten lassen. Für die SSK und 300 SL in unserer Truppe und natürlich für Hans' 300SLR war die Piste der Sprung zurück in alte, glorreiche Zeiten. Ganz tief im Innern konnte ich, als ich auf der Strecke war, nur bedauern, dass aus meinem Stamm bis auf wenige Ausnahmen nie richtige Rennwagen wurden.
Erinnerungen an die Zeit der großen Straßenrennen und Hans Herrmanns Targa Florio Erfolge auf Porsche, unter anderem ein Targa Florio Sieg 1960 mit Joakim Bonnier und Graham Hill auf einem 718 RS, wurden wieder wach in dem offenbar total rennsportbegeisterten Collesano. Der ganze Ort war während unseres Aufenthalts unterwegs, Hans Herrmann wurde wie früher auf dem Treppchen geehrt und enthüllte eine Gedenktafel mit einer Rückschau auf den Mercedes-Benz Sieg von 1955. Eine Zeit, zu der zumindest ich noch nicht auf meinen Rädern stand, und dann, so dachte ich, habe ich heute als über 50-Jähriger die Targa Florio unter ihnen!
Kulturprogramm für den Mercedes-Klassiker
Am nächsten Tag noch ein paar Jahre mehr zurück in der Geschichte, nämlich in die Zeit um 500 v.Chr. mit der Tempelanlage Valle dei Templi bei Agrigento. Dort durfte ich dann mit meiner Besatzung vor dem Hera Lakinia-Tempel zum persönlichen Porträt vorfahren, obwohl gerade dieses Heiligtum bereits zu den am meisten fotografierten Siziliens gehört. Wie das die Götter wohl finden? Immerhin gab´s seinerzeit wohl noch keine Gottheit der Motoren, wer wäre also zuständig?
Auf dem Rückweg...
Das nächste Porträtieren war dann, zurück auf dem Festland, erst wieder in der herrlichen Berglandschaft des Piemont nach unserer dortigen Übernachtung angesagt. Ich soll mit meinen Fotos auf der Haus-Webseite erscheinen!
Nachdem anschließend die Lombardei hinter uns lag, ging´s noch einmal über zum Fahrspaß. Lago Maggiore, Simplon-Pass und der Grimselpass mit Blick auf den Rhonegletscher waren Hochalpen in Reinkultur und auch das wieder bis kurz vor dem Grimsel oben offen. Das erste Mal in meinem Leben in solch einer Landschaft!
Eine Tour wie diese nichts mehr für die Alten? Eigentlich braucht man doch nur zwei mit Oldtimervirus, die einem und sich die 2.700 km auf Achse zutrauen. So, und jetzt habe ich einen Traum für den kommenden langen Winterschlaf. Vielleicht ist es auch der Traum meines Lebens?
Text & Fotos: Friedrich W. Thüner
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