"Wir fahrn Papst": Heiligs Blechle!

Seit 80 Jahren liefert Mercedes-Benz "Dienstwagen" an den Papst

"Wir fahrn Papst": Heiligs Blechle! : Seit 80 Jahren liefert Mercedes-Benz "Dienstwagen" an den Papst
Erstellt am 9. August 2010

Keine Frage: Jeder Automobilhersteller freut sich über prominente Kunden. Denn wenn sich Hollywood-Schauspieler, Sport-Stars oder Musik-Legenden hinter das Steuer einer bestimmten Marke klemmen, dann ist das Image-Werbung vom Feinsten. Doch es gibt Kunden, die sind einzigartig – wie der Papst. Seit 1930 genießt Mercedes-Benz das Privileg, "Dienstwagen" für seine Heiligkeit zu stellen – eine ehrenvolle und gleichzeitig herausfordernde Aufgabe. Denn so unterschiedlich die einzelnen Typen bisher waren, sie hatten stets eines gemeinsam: Es handelte sich um individuelle Einzelstücke.

1930: der „Rom-Wagen“ – Mercedes-Benz Typ Nürburg 460

Der erste Papstwagen mit Stern war der Typ Nürburg 460. Mit ihrem mächtigen Reihenachtzylindermotor repräsentierte die Limousine den seinerzeit gültigen State of the Art im Automobilbau. Der „Rom-Wagen“, so die werksinterne Bezeichnung, erhielt gegenüber der Serie kaum technische Änderungen, umso hingebungsvoller widmete sich die Abteilung Sonderwagenbau im Werk Sindelfingen der Ausstattung. Das begann noch vergleichsweise harmlos mit handgefertigten schwarzen Ledersitzen für Fahrer und Beifahrer sowie mit Luftkissen gepolsterten Einzelsitzen im Fond. Auch konnte man den Vatikan davon überzeugen, statt des ursprünglich gewählten Kristall-Spiegelglases sichereres Kinonglas (Glasscheiben mit einer zwischengelagerten Folie) einzusetzen.

Ab jetzt ging es wahrhaft fürstlich – oder besser gesagt päpstlich – weiter: Der amtierenden Pontifex, in diesem Fall Papst Pius XI. durfte auf einem mit feinstem Seidenbrokat bezogenen Thronsessel Platz nehmen. Über ihm wölbte sich ein Dachhimmel, der diese Bezeichnung ohne Einschränkungen verdiente: Das zentral angeordnete Motiv einer Taube wurde von Stickerinnen eines Benediktinerinnenklosters gefertigt. In direkter Reichweite seiner Heiligkeit befand sich außerdem ein Steuerpult mit dem der Papst seinem Chauffeur mitteilen konnte, wie schnell er wo anzukommen wünscht.

Für die Übergabe an den Papst wurde der Typ Nürburg 460 nicht etwa auf einen Transporter verladen. Nein, er brachte die Strecke Stuttgart-Rom auf eigener Achse hinter sich. Papst Pius XI. nahm den Wagen direkt in Augenschein und startete dann zu einer längeren Spazierfahrt durch die vatikanischen Gärten. Sein anschließender Kommentar: „Ein Meisterwerk“.

Nach seiner aktiven, rund 40000 Kilometer langen Laufbahn zog der „Rom-Wagen“ in das Museum des Vatikans ein. 1983 entschied man sich, die immer noch sehr gute Substanz durch eine professionelle Restaurierung zu erhalten bzw. zu verbessern. Dies geschah in der Mercedes-Museumswerkstatt in Fellbach. Im Herbst 1984 wurde der Nürburg 460 dann an den amtierenden Papst, Johannes Paul II., zurückübergeben. Der ließ sich, wie der „Erstbesitzer“ Pius XI., durch die Gärten des Vatikans chauffieren. Seither kann der Wagen wieder im vatikanischen „Museo delle Carrozze“ bewundert werden.

1960: der erste Landaulet – Mercedes-Benz Typ 300 d

Dreißig Jahre nach der Übergabe des „Rom-Wagens“ sah man bei Mercedes-Benz den Zeitpunkt gekommen, um den Papst mit einem neuen Automobil zu beglücken. Wieder fiel die Wahl auf ein Modell der Oberklasse, nämlich den 300 d (W 189) mit verlängertem Radstand.

Die augenfälligste Besonderheit des Wagens war seine Ausführung als Landaulet, also als Limousine mit festem Dach über den Frontsitzen und versenkbarem Verdeck im Fond. Sein serienmäßiger Drei-Liter-Sechszylinder beschleunigte den Wagen bei Bedarf bis auf 160 km/h. Doch in diese Geschwindigkeitsregionen sollte er kaum vorstoßen. Sein Revier war eher die repräsentative Schrittgeschwindigkeit, die es Papst Johannes XXIII. erlaubte, sich den Gläubigen in aller Ruhe zu zeigen. Zu diesem Zweck konnte nicht nur dass Verdeck zurückgeklappt werden. Es war außerdem möglich, die hinteren Seitenscheiben heraus zu nehmen und in einer eigens dafür geschaffenen Halterung im Kofferraum zu verwahren. Stabile Griffe an der Zwischenwand zu den Vordersitzen gaben dem Papst Halt, wenn er während der Fahrt stehend den Segen erteilte.

Aber auch im Sitzen war der 300 d ein Segen – zumindest für den Pontifex. Er durfte, wie schon im „Rom-Wagen“, auf einem speziellen Thronsessel sitzen, der sich elektrisch verstellen ließ. Seine Begleitung musste mit zwei einfachen Klappsitzen an der Trennwand vorlieb nehmen. Bei der Kommunikation mit dem Chauffeur zeigte sich der technische Fortschritt: Wo vor 30 Jahren noch ein (sehr nobles) mechanisches Schaltpult zum Einsatz kam, stand dem Papst ein Sprechfunk zur Verfügung. Des weiteren konnte er von seinem Thron aus die Klimaanlage steuern. Stoppte der Wagen, fuhren beim Öffnen der hinteren Türen automatisch Trittbretter aus dem Wagenboden, um dem Papst das Ein- und Aussteigen zu erleichtern.

Auch Papst Johannes XXIII. unterzog seine neue Dienstkarosse direkt bei der Übergabe einer kurzen Erprobungsfahrt. Die führte durch den Damasushof des Vatikans und endete mit einem Lob des Papstes: Er bedankte sich bei der Mercedes-Abordnung für die vorbildliche Umsetzung seiner Wünsche.

Bitte lesen Sie weiter auf Seite 2!

KLICK!


1965: der Pullmann – Mercedes-Benz 600 Landaulet

Auch der Nachfolger des 300 d sollte unbedingt eine Landaulet-Limousine sein. Als man 1965 nach einer entsprechenden Umbaubasis forschte, gab es eigentlich nur eine angemessene Lösung: den Mercedes-Benz 600 (W 100) mit langem Radstand.

Der Wagen erhielt erneut diverse Sonderumbauten, die seine Funktion und Position als Papstwagen reflektierten. Dazu gehörten die verbreiterten Fondtüren, die direkt mit den vorderen Türen abschlossen. Modifizierte Bedienelemente sorgten dafür, dass der Heilige Vater, das war damals Paul VI., die Portale von seinem zentralen Einzelsitz aus leichter erreichen konnte.

Etwas Besonderes lag auch zu Füßen des Papstes, nämlich ein ebener Wagenboden. Diesen hatten die Mercedes-Techniker angehoben, so dass der Kardantunnel als optische Barriere im Innenraum verschwand. Die dadurch eingebüßte Kopffreiheit korrigierte Mercedes-Benz mit einem um 70 Millimeter erhöhten Dach. Selbstverständlich verfügte der 600 Pullman-Landaulet auch über eine Klimaanlage, die bewährte Gegensprechanlage zum Fahrer und eine elektrische Verstellung des Einzelsitzes. Davon konnten weitere Mitfahrer nur träumen: Für sie blieb es, wie schon im Vorgänger-Modell, bei klappbaren Einzelsitzen die entgegen der Fahrtrichtung montiert waren.

Bei der Übergabe des Wagens zeigte sich Papst Paul VI. beeindruckt und sparte nicht mit Lob: „Der Name Mercedes ist zu einem Begriff geworden in der ganzen Welt für deutschen Fleiß und deutsche Tüchtigkeit. Darum wissen Wir (der Papst sprach von sich in der vierten Person) Ihre heutige Gabe um so mehr zu schätzen.“

Heute steht der Mercedes-Benz 600 Pullman-Landaulet mit dem legendären Nummernschild SCV 1 im Mercedes-Benz Museum in Untertürkheim. Das Kennzeichen SCV bedeutet übrigens „Stato Città del Vaticano“, also Vatikanstaat, die 1 weist den Wagen als das offiziell vom Papst genutzte Fahrzeug aus.

1966/67: die „Alltagsfahrzeuge“ – Mercedes-Benz 300 SEL Landaulet und 300 SEL lang

Auch der nächste Papstwagen sollte wieder ein Landaulet sein, diesmal auf Basis eines Mercedes-Benz 300 SEL (W 109). Auch dieser Wagen erhielt wieder den schon bekannten Einzelsitz im Heck, allerdings mit einer Besonderheit: Der Sessel ließ sich nach rechts verschieben, um einem möglichen Beifahrer auf seinem Klappsitz an der Zwischenwand mehr Platz zu verschaffen. Ansonsten bot der päpstliche 300 SEL insgesamt weniger Prunk als sein Vorgänger, der noch lange Zeit parallel eingesetzt wurde. So verzichtete der „kleine Landaulet“ sogar auf eine Klimaanlage. Dafür bekam er 1981 nachträglich eine Panzerung.

Die Baureihe W 109 war aber noch mit zwei weiteren Vertretern im Vatikan anzutreffen. Hierbei handelte es sich um Limousinen mit einem um 650 Millimeter verlängerten Radstand, insgesamt also 3500 Millimeter, verbreiterten Hecktüren und Notsitzen in Fahrtrichtung. Die beiden Fahrzeuge wurden im Frühjahr 1967 an den Vatikan geliefert und dienten in erster Linie dem Transport hochrangiger Gäste des Vatikans.

1980: das „Papamobil“ – Mercedes-Benz 230 G mit Sonderaufbau

Einem umgebauten Mercedes-Benz 230 G wurde die Ehre zuteil, den Namen „Papamobil“ in unsere Köpfe zu bringen. Wer genau es war, der diesen Begriff prägte, ist nicht überliefert. Doch sicherlich hatte die regelmäßig Nutzung des Wagens durch Papst Johannes Paul II. einen großen Anteil daran, dass in Medienkreisen überhaupt nach einem griffigen Namen gesucht wurde.

Erstmals kam der perlmuttfarben lackierte Geländewagen 1980 in Deutschland zum Einsatz. Mercedes-Benz stellte ihn, zunächst als Leihgabe, zur Verfügung. Durch seine offene Bauweise gab der Wagen dem Papst die Möglichkeit, sich stehend den vielen tausend Menschen zu zeigen, die seinen Weg säumten. Im Gegensatz zu seinen Landaulet-Vorgängern – die ebenfalls eine „offenherzige“ Präsentation zuließen – bot der G aber auch die Option unbefestigte Straßen zu befahren. Umbaubasis war eine G-Klasse (460 G 23) mit langem Radstand. Sie erhielt im Heckbereich eine transparente Kunststoffkuppel, die den Papst einerseits vor Witterungseinflüssen schützte, andererseits einen „unverbauten“ Blick auf den Heiligen Vater bot. Eine Klimaanlage sorgte für angenehme Temperaturen unter der Kuppel, bei Regenwetter verhinderte sie ein Beschlagen der Scheiben. Kleine Spots sorgten dafür, dass der Papst optimal ausgeleuchtet wurde. Ursprünglich konnte die Kuppel auch entfernt werden, doch nach dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. blieb sie aus Sicherheitsgründen stets auf dem Wagen.

Auch das Papamobil bot einen angehobenen Boden im Fond. Dies Maßnahme verdeckte den Kardantunnel und schuf gleichzeitig eine um 40 Zentimeter erhöhte Plattform, auf der sich der Papst im wahrsten Sinne des Wortes erhaben fühlen durfte. Unter dem doppelten Boden fanden Batterien Platz, die unter anderem unabhängigen Strom für die ausfahrbaren Stufen lieferten, die dem Papst das Ein- und Aussteigen erleichterten. Der bisher übliche Thronsessel war erstmals nicht mehr an Bord. Er wurde auf Wunsch des Papstes durch eine Sitzbank ersetzt. Ein weiteres Novum war die Lackierung des Wagens: Sie präsentierte sich in den Farben des Papstes, also Weiß und Gold. Letzteres wurde von diversen Zierteilen beigesteuert.

Das Papamobil von 1980 machte Mercedes-Benz dem Papst im Frühjahr 1982 zum Geschenk. Außerdem entstand ein zweites Papamobil mit modernerer Technik auf Basis des 230 GE (460 GE 23). 1983 und 1985 passte Mercedes-Benz die Ausstattung der Papamobile an die höheren Sicherheitsauflagen des Vatikans an.

Kleines Detail am Rande: Für den Österreich-Besuch des Papstes im Jahr 1983 verschwand der Mercedes-Stern vom Kühlergrill und wurde durch ein Puch-Emblem ersetzt. Unter diesem Namen vermarkteten Mercedes-Benz und Magna Steyr den G in Österreich.

Lesen Sie bitte weiter auf Seite 3!

KLICK!


1985: die „Burg mit Aussicht“ – Mercedes-Benz 500 SEL

1985 schenkte Mercedes-Benz dem Papst eine elegante Alternative zum Papamobil: einen 500 SEL in Sonderschutzausführung (V 126). Der Wagen war deutlich größer als seine Serienbrüder: Sein Radstand wurde um 200 Millimeter verlängert, die Dachhöhe wuchs um 30 Millimeter. Im Fond bot das Fahrzeug einen Einzelsitz für den Papst, gegenüber zwei Klappsitze – also genau wie im 55 Jahre zuvor übergebenen Mercedes-Benz Nürburg.

1997: wieder ein Landaulet – Mercedes-Benz S 500 lang

Die Karosserieform des Landaulet blieb auch 1997 das klar favorisierte Baumuster für päpstliche Limousinen. Ausgangsbasis war diesmal die Langversion eines S 500 (V 140). In Empfang genommen von Papst Johannes Paul II. glänzte auch dieser Mercedes mit einem würdigen Erscheinungsbild, exzellenter Verarbeitung und diversen „Extras“. Dazu gehörte zum einen das elektrohydraulische Verdeck, das so ausgeführt war, das es im Kopfbereich rund 50 Millimeter mehr Platz bot, als das konventionelle Stahldach der Serien-Limousine.

Ein mittlerweile schon obligatorisches Ausstattungsmerkmal war der Einzelsitz für den Papst. In diesem Fall fiel er besonders geräumig aus und ließ sich überdies um 500 Millimeter verstellen, was das Aufstehen erleichterten sollte. Weitere Passagiere fanden auf den ebenfalls schon bekannten Klappsitzen an der Trennwand Platz. Während der Papst im S 500 Landaulet chauffiert wurde, fiel sein Blick auf eine Marien-Ikone, die ebenfalls in die Trennwand eingelassen war. Haltegriffe und die bewährten Kommunikationseinrichtungen vervollständigten die Ausstattung des Wagens.

2002: Papamobil die Zweite – Mercedes-Benz ML 430 mit Sonderaufbau

2002 war einmal mehr Papst Johannes Paul II. der glückliche Empfänger eines für ihn umgebauten Mercedes. Es handelte sich um einen ML 430 (W 163) mit Sonderaufbau. Dieser Aufbau entsprach in seinen Grundzügen dem des ursprünglichen Papamobils auf G-Klasse-Basis. Allerdings war die Kuppel nicht mehr abnehmbar ausgelegt, sondern ein fester Bestandteil des Aufbaus. Sie ragte direkt hinter den vorderen Türen steil nach oben und schloss ansonsten bündig mit der Karosserie ab. Inmitten dieses großzügig verglasten Aufbaus befand sich ein bequemer Einzelsitzplatz für den Pontifex, der, wie die gesamte Innenausstattung, in Weiß ausgeführt war.

Technisch wies die in Perlmutt lackierte M-Klasse eine deutlich engere Verwandtschaft zur Serie auf: Motor, ein 4,3-Liter-V8 mit 272 PS, und Fahrwerk blieben unverändert.

2007: der Audienzwagen – Mercedes-Benz G 500

Den momentan jüngsten Beitrag von Mercedes-Benz für die Mobilität des Papstes nutzt Benedikt XVI. seit 2007. Es handelt sich um einen Mercedes-Benz G500, den der Heilige Vater primär nutzt, um sich bei den so genannten „Mittwochsaudienzen“ den Gläubigen zu zeigen. Der G verfügt bis auf seine Sonderlackierung in "Perlmutt" über keine besonderen Veränderungen.



PS: Selbstverständlich erhielt der Papst nicht nur von Mercedes mobile Präsente. Auch andere Automobilhersteller, beispielsweise Fiat und Citroen, ließen es sich nicht nehmen, Beförderungsmittel für den Heiligen Vater herzustellen. Doch das sind andere Geschichten, die auf anderen Fan-Seiten erzählt werden soll(t)en.

33 Bilder Fotostrecke | Heiligs Blechle!: Seit 80 Jahren stammen die Dienstwagen des Papstes von Mercedes-Benz #01 #02

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community