Die Mercedes-Benz S-Klasse im Jahr 1972 wurde mit mehreren Motorisierungen angeboten vom einfacheren 250S bis zum leistungsstarken 300SEL 6.3. Dazwischen lag der 280er, der alleine in den Varianten 280S, 280 SE sowie 280S 3.5 und 4.5 in kurzer und langer Bauform im Programm war. Modelle mit modernerer Saugrohreinspritzung wurden mit dem Kürzel E ergänzt. Trotz dieser technischen Errungenschaft bot Mercedes-Benz Modelle mit dem guten, alten Vergaser an, auch bei dem hier gezeigten Exemplar der Mercedes-Benz S-Klasse von Immanuel Noske und Andrea Lunke aus Kamen kümmern sich zwei Zenith-Fallstrom-Vergaser um die Gemischaufbereitung.
Die Motoren mit Vergaser leisteten natürlich weniger als die mit Einspritzung, statt 160 PS werkelten hier nur 140 Pferde, doch das war auch schon die einzige Einschränkung des einfacheren Modells, dem ansonsten alle technischen Features der Baureihe W108 zur Verfügung standen. Die damals 1600 DM Preisdifferenz zum Einspritzer machten knapp 10 Prozent des Basispreises aus, weshalb über 93.000 Kunden sich für ein Vergaser-Modell entschieden haben.
Auch Immanuel Noske aus Kamen hat sich für das Vergaser-Modell des S-Klasse interessiert. Der Polizeihauptkommissar, der u.a. in der Kampagne "Tune it! Safe!" (www.tune-it-safe.de) aktiv tätig ist, entdeckte den Mercedes-Oldtimer via Internet von Privat in Süddeutschland. Die bronzebraune Limousine war in einem guten Zustand und mit eben dem 140 PS starken 2,8-Liter Reihensechszylinder sowie Viergang-Schaltgetriebe ausgestattet: Das Fahrzeug gehört meiner Freundin Andrea Lunke und mir zusammen. Wir begeistern uns beide für das leider noch oft frauenuntypische Hobby der alten Autos daher spreche ich auch immer von 'unserem' Fahrzeug, erklärt der 41-Jährige.
Die bronzebraune Limousine war in einem guten Zustand
Etwa zwei Jahre lang haben die beiden Kamener nach einem guten 108er gesucht, das Auto sollte gepflegt sein aber eben nicht überrestauriert aussehen, und fanden schließlich diesen 108er aus zweiter Hand: Sicher braucht der hier und da noch ein wenig Kosmetik, meint Immanuel, aber dem Wagen darf man generell schon seine gepflegten 40 Jahre ansehen.
Wegen der Reparaturfreundlichkeit haben Immanuel und Andrea Wert auf einen Schaltwagen mit Vergasertechnik gelegt, weshalb auch nur ein 280 S in Betracht kam. Er ist zwar als Säufer verschrien, man kann ihn gut mit 14 bis 16 l bewegen, erklärt Immanuel, der als Dozent bei der Polizei NRW, unter anderem für technische Fahrzeugkontrollen zuständig ist.
Italien Re-Import mit gelben Kotflügel-Blinkern
Das Fahrzeug ist ein Italien-Re-Import (und deshalb sind die Fiat 500 Blinker in den vorderen Kotflügeln auch absolut original!) und wurde per Trailer ins heimische Kamen überführt. Der Mercedes-Oldtimer hat original erst 136.000 km hinter sich gebracht. Nahezu alle italienischen Unterlagen (Klebezettel für die Steuer, Überführung etc.) sind vorhanden, der letzte italienische Halter (geb. 1926) hat noch ein Foto von sich beigelegt, berichtet Immanuel.
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"Mediterane" Ausstattung
In Sachen Ausstattung merkt man dem Wagen seine Herkunft an: Das Fahrzeug hat keine heizbare Heckscheibe, dafür aber eine funktionsfähige Klimaanlage und vier elektrische Fensterheber, erklärt der 41-Jährige und fügt hinzu: für ein Vergasermodell schon ziemlich viel...
Trendfarbe Braun
Die Außenfarbe der S-Klasse ist bronzebraun (MB 461) und wurde unterhalb des Dach in den 1990er Jahren einmal überarbeitet, niemand hätte wohl geglaubt, dass so was wieder modern wird. Apropos modern: Die historische S-Klasse wird natürlich nicht alltäglich bewegt, der Oldie steht zusammen mit einem 14 Jahre alten SLK 200 (silber - ganz klassisch und vor 2 Jahren aus 1. Industriellen-Gattinnenhand mit unglaublichen 52.000 km übernommen) in einer Doppelgarage. Für den Alltag steht den beiden noch ein Ingolstädter A6 zur Verfügung, denn der SLK wird nur im Sommer bewegt. Soweit Immanuel und Andrea möglich erledigen sie alle Wartungsarbeiten und kleinere Reparaturen im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst.
Das Hobby Auto macht aber auch nicht vor Immanuels & Andreas Wohnung halt! Aktuell baue ich aus Blechteilen gerade unsere 108er Front nach, erklärt Immanuel, die später wie die Front eines 1975er VW T2 Bus, die zur Lampe und Vitrine umgebaut wurde - leuchten wird. Dazu haben die beiden einen Wohnzimmertisch aus einem alten Fiesta-Motor, zwei Regale mit Öl- und Blechdosen aus den 50er und 60er Jahren und eine restaurierte Salzkotten Diesel-Tanksäule aus den frühen 60ern im Wohnzimmer stehen. Oldtimer werden in unserem Haus "gelebt und - ganz wichtig - die Frau im Hause findet das klasse...
Text: Thomas Frankenstein
Fotos: Marcus Berger
Mercedes-Fans-Facts
1972 Mercedes-Benz 280 S (W108)
Antrieb: Reihensechszylinder, 2778 ccm, 140 PS bei 5200 /min, obenliegende Nockenwelle, 2 Register-Fallstromvergaser Zenith 35/40 INAT mit Startautomatik, 4-Gang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrwerk: Vorne Einzelradaufhängung, Doppel-Querlenker, Schraubenfedern, Gummi-Zusatzfedern, Drehstab-Stabilisator, hydraulische Teleskop-Stoßdämpfer, Scheibenbremsen; hinten Eingelenk-Pendelachse mit hydropneumatischer Ausgleichsfeder und Niveauregulierung, Schraubenfedern, Gummi-Zusatzfedern, hydraulische Teleskop-Stoßdämpfer, Scheibenbremsen
Räder: 14-Stahlfelgen mit Radkappe auf Falken FK-074 in 205/70 R14
Sonstiges: Italien-Re-Import, Seitenblinker auf Kotflügel
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