Im Januar feierte David Douglas Duncan, kurz auch DDD genannt, seinen 100. Geburtstag, was umso bemerkenswerter ist, da Duncan nicht nur ein glühender Verehrer des Mercedes 300 SL ist, der mit seinem Flügeltürer mehr als 460.000 km absolvierte. DDD ist sicher auch der Fotograf, der mit seinen Fotos den 300 SL wie kaum ein Zweiter in Szene gesetzt hat. Wir sagen nur „Die Alpenfahrt“. Wolfgang Rolli erzählt die Geschichte der beiden Legenden mit Stern.
Zum Hundertsten Geburtstag des Fotografen David Douglas Duncan: Botschafter einer Legende mit Stern Im Juni 1955, also ein Jahr nach der Erstpräsentation des W198 in New York, kam David Douglas Duncan erstmals nach Sindelfingen zu Daimler-Benz. Der Auftrag: Den 300 SL Flügeltürer, damals schon ein eindrucksvolles Beispiel für das neue Nachkriegs-Deutschland und den Beginn des Wirtschaftswunders in dieser Zeit ins rechte Licht zu setzen. Die Bildreportage sollte in „Colliers“ Magazin den Amerikanern, die damals nahezu sämtliche Stückzahlen von diesem Luxus-Sportwagen kauften, zeigen, woher dieses Auto kommt und was es bedeutet, „Made in Germany“ zu heißen.
Duncan, der von den „Vätern“ des 300 SL um den damaligen Konstruktionschef Dr. Fritz Nallinger und seinem nicht weniger berühmten Team mit Rudolph Uhlenhaut, Hans Scherenberg, Karl Wilfert und Friedrich Geiger sowie dem Pressechef Arthur Käser und seinem Attaché Albrecht von Urach persönlich empfangen und betreut wurde, hatte bald eine geniale Idee: Nicht nur die scharfe Abbildung des Sportwagens sollte es sein, sondern auch Bilder, die den Mythos und „Geist“ zeigen. Farbige Linien auf den Straßen von Sindelfingen waren als Folge auf den Fotos der Langzeitbelichtungen mit Kodachrome Farbfilmen zu sehen. Der “Ghost of Sindelfingen“ war eine sensationelle und ebenso erfolgreiche Bildgeschichte, die dieses Auto in Amerika vollends zum Objekt der Begierde machte. Aber auch DDD wurde bei dieser Reportage von dem Fahrzeug regelrecht infiziert, eine Begeisterung, die ihn nicht mehr loslassen sollte.
Die Alpenfahrt von 1956
Als die Alpenüberquerung noch ein Abenteuer war. David Douglas Duncan setzte den 300 SL gekonnt in Szene - selbst am Straßenrand!
Im Sommer 1956 traf sich DDD erneut in Sindelfingen mit seinen neuen Freunden von Mercedes zu einer streng geheimen Mission: Als Nachfolger des Flügeltürer Coupés sollte bald eine offene Roadster-Version mit optionalem Hardtop auf den Markt kommen. So wollten es die amerikanischen Kunden. Der erste von insgesamt fünf Vorserien-Prototypen war in einem für diese Zeit sehr extravaganten Metallic-Hellblau lackiert.
Duncan fuhr mit dem Geheimobjekt (siehe Foto links und Titelbild) samt einer hochkarätigen Entourage mit Flügeltürer-Begleitfahrzeugen in die Schweizer Alpen und bis zum Stilfser Joch. Uhlenhaut, bekannt als Draufgänger und exzellenter Fahrer, war persönlich am Volant und brachte das neue Gefährt für Duncan in fotogene, kurvenreiche Steilvorlagen. Noch bevor im März 1957 der neue Roadster in Genf auf dem Automobilsalon präsentiert wird, erscheint in Amerika eine eindrucksvolle Bildreportage über die Alpenfahrt, die die Fachwelt begeistert und in Atem hält.
DDD entschließt sich zu diesem Zeitpunkt, dass er selbst einen 300 SL haben will - er bestellt seinen Flügeltürer nach Wunsch: außen schwarz, innen schwarz, nur das Lenkrad sollte weiß sein. Und schon kurz danach kann DDD sein Wunschauto im Werk abholen, und Arthur Käser übergibt es persönlich an DDD, der schon zu diesem Zeitpunkt mit seinen Bildern und Veröffentlichungen für Daimler-Benz und den 300 SL ein einzigartiges Image erzielen konnte.
DDD mit dem „Black Torpedo“ in Moskau
Im Herbst 1959 unternimmt DDD eine ganz besonders ungewöhnliche Reise: Er soll in Moskau die Kunstschätze des Kremls fotografieren, Basis für ein neues Kunstbuch. Mitten im Kalten Krieg und für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, beschließt DDD auf eigener Achse zu fahren. Er tauscht lediglich das New Yorker Nummernschild gegen eine Pariser Zulassung. Mit seinem schnellen Gefährt geht es über Deutschland, Österreich, die Tschechei, Polen, Smolensk ganz allein nach Moskau - in vieler Hinsicht ein gewagtes, aber geglücktes Abenteuer. War doch schon die Frage nach Benzin in genügender Qualität eine Herausforderung. Angekommen auf dem Roten Platz wird DDD in seinem Fahrzeug sitzend von Hunderten von überraschten und ebenso ungläubigen Russen umringt und begrüßt. Ein Amerikaner mit einem 300 SL im Herbst 1959 auf dem Roten Platz, das hat es noch nie gegeben!
Der Auftrag wird erledigt, die Rückfahrt wird allerdings dann zum Langstreckenmarathon und Ausdauertest. DDD verpasst seine Fähre von Leningrad (heute St. Petersburg) nach Helsinki, und es ist keine Alternative in Sicht . Als Konsequenz fährt er einen riesigen Umweg über den Hohen Norden, begleitet von Herden von Rentieren, am Polarkreis vorbei wieder herunter nach Stockholm und weiter nach Kopenhagen, Hamburg bis in die Schweiz und weiter nach Südfrankreich, wo er nach sechs Wochen und vielen tausend Kilometern wieder im Morgengrauen zu Hause ankommt. Er ruft Picasso an, und sie treffen sich auf ein Frühstück mit Milchkaffe und Croissant mit Honig - es gibt viel zu erzählen...
Diebstahl der „Black Beauty“ in Holland
Im August 1976 reist DDD nach Holland, um einen Fotoauftrag für LIFE anlässlich der Dreharbeiten des Kriegsfilms „Die Brücke von Arnheim“ mit Robert Redford und vielen anderen Superstars zu erledigen. Abends dann ein Dinner mit Freunden in Haarlem, der SL vor dem schicken Hotel abgestellt. Dann der Schreck, das Auto ist weg - einfach gestohlen!
DDD setzt alle Hebel in Bewegung: Holländische Polizei, Fernsehen und Medien weltweit. Harald Tribune, New York Times, Newsweek ...; und auch Interpol ist sofort dabei.
Wochenlang scheint der „Black Torpedo “ verloren, keine Spur. Dann trifft DDD einen Freund, der einen kennt, und der wiederum scheint nicht nur Autofan zu sein, sondern auch Kontakte zur Mafia zu haben. Verhandelt wird über eine Summe von 12.000 Schweizer Franken. Und wieder nichts!
Dann in der fünften Woche ein Anruf mitten in der Nacht - das Auto könne gegen das Lösegeld an der holländisch-belgischen Grenze in Empfang genommen werden. Zwölf Stunden später konnte DDD in sein Auto - frisch gewaschen, schwarz hochglänzend poliert und vollgetankt - wieder einsteigen und nach Hause fahren. Nicht zu vergessen: Der Trenchcoat lag frisch gereinigt mit Bügel auf der hinteren Ablage.
Der erste Generalcheck bei Daimler
Nach fast 300.000 Kilometern und 26 Jahren ohne nennenswerte Pannen und Reparaturen werden 1982 im Stuttgarter Werk und in der Museumswerkstatt in Fellbach Motor, Fahrwerk und Karosserie erstmals einem gründlichen Generalcheck unterzogen. Es wird repariert, gewartet und konserviert - aber nur, was gemacht werden muss, keine Vollrestaurierung!
Der Abschied
Im Dezember 1996 übergibt DDD nach über 40 Jahren und 450.000 gefahrenen Kilometern seinen geliebten „Black Torpedo“ mit einer einzigartigen Fahrzeuggeschichte an Claude Picasso, den Sohn des Malers. Claude kannte das Fahrzeug schon seit seiner frühen Kindheit - nicht selten spielte er mit seiner Schwester Paloma im Fond des SL. Somit ist das legendäre Fahrzeug quasi in der Familie geblieben.
Der „Black Torpedo“ heute: Nach fast 60 Jahren in höchstmöglicher Originalität jederzeit fahrbereit in zweiter Hand! Ein weiterer Superlativ.
HK-Engineering zeigt in Kooperation mit den Mercedes 300 SL-Clubs anläßlich der Classic Car Messe „Retromobile 2016“ , die vom 3.-7.Februar in Paris stattfindet sowohl den "Black Torpedo" als auch den 300SL Roadster Prototyp mit dem die "Alpenfahrt" fotografisch festgehalten wurde.
2 Kommentare
Mercedes-Fans.de
4. Februar 2016 10:45 (vor über 8 Jahren)
Egide aus belgien
3. Februar 2016 21:36 (vor über 8 Jahren)
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